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Geschichtsverein Nagold stellt Reprint zur Reformation vor

"Die Reformation im Bezirk Nagold" – ein Buchtitel, der ganz aktuell zum 500. Jubiläum der Reformation geschrieben worden sein könnte. Ist er aber nicht. Das Büchlein ist bereits 100 Jahre alt – und wurde nun vom Verein für Heimatgeschichte Nagold als Reprint neu aufgelegt.

Nagold. Denn auch vor einem Jahrhundert wurde einem runden Reformations-Jubiläum gedacht, weshalb der damalige Pfarrer von Rohrdorf, Adolf Rentschler, anlässlich einer Bezirkssynode in Nagold einen damals viel beachteten Vortrag zur Geschichte der Reformation in der Region und darüber hinaus hielt. Aus dem dann das genannte Büchlein entstand, das noch heute – wie Geschichtsvereins-Vorsitzende Judith Bruckner bei der Vorstellung des Reprints gestern in der Remigiuskirche erläuterte – den wohl umfassendsten Blick auf die hiesige Reformationsgeschichte erlaubt, der sich auch aus gegenwärtiger Sicht denken lässt.

Ein heute kaum noch möglicher Blick in die alten Quellen

Beleg dafür sei, dass so ziemlich alle nachfolgende Werke, die sich irgendwie mit diesem Themenfeld beschäftigten, sich auf Pfarrer Rentschler und sein Werk bezogen, ihn zitierten oder bei ihm abschrieben. Und da es naheliegt, dass mit den Jahrzehnten und Jahrhunderten der Zugang zu "echten" historischen Quellen immer schwieriger wird, weil diese in den Wirren der Generationen zunehmend verloren gehen – wovon auch Kirchenautor Rentschler schon zu seiner Zeit berichtete –, lohne sich die Lektüre solch ungeheurer Fleißarbeiten, wie sie hier vor 100 Jahren geleistet wurden. Denn sie konservierten einen heute oft kaum noch möglichen Blick in die alten Quellen und Archive und offenbarten Zusammenhänge, die sich sonst kaum mehr erschließen ließen.

Wobei – und das arbeitete bei der Buch-Neu-Präsentation Dekan Ralf Albrecht in seinen "Gedanken" zur Reformation und diesem spannenden kleinen Büchlein eindrucksvoll heraus – es tatsächlich besonderen Sinn mache, dass ausgerechnet ein Pfarrer aus Rohrdorf ein solches Werk verfasst habe. Denn, wer es nicht oder nicht mehr weiß: in der alten Johanniter-Festung in Rohrdorf teilen sich eben seit der Reformation die katholische und die evangelische Kirchengemeinde einen gemeinsamen Kirchenraum – getrennt von einer Mauer quer durch die Johanneskirche. Wer, wenn nicht ein Pfarrer ausgerechnet in diesem Rohrdorf, dürfte trefflich darüber Nachdenken und Sinnieren, was diese beiden Glaubensrichtungen eigentlich voneinander trennt oder sie vereint, sie unterscheidet, aber auch verbindet.

Weshalb Dekan Albrecht die kleine Feierstunde in der Remigiuskirche – die selbst ja auch ursprünglich eine katholische, oder wie man einst sagte: "römische" Kirche war, und heute ein evangelisches Gotteshaus ist – auch zu einem an dieser Stelle bemerkenswert politischem Statement nutzte. Wobei er sich ausdrücklich auf eine Aussage Pfarrer Rentschlers über dessen Motivation zum Verfassen seines Werkes bezog: "Worin aber liegt genau der ›Schatz‹ des Glaubens" – in der katholischen wie in der evangelischen Kirche?

Für den historischen Rentschler war die Antwort einfach: der sprichwörtliche "Schatz" der für ihn "anderen", katholischen Kirche sei die äußere Prachtentfaltung gewesen, der die protestantische – man würde heute sagen – Askese gegenüberstand. Dekan Albrecht warnte aber als ein eben evangelischer Kirchenmann davor, angesichts der "goldenen Badewannen" eines Tebartz-van Elst im Limburg in (evangelische) Vorurteile zu verfallen, wenn die evangelische Landeskirche in Württemberg ihrerseits jüngst rekordverdächtige 690 Millionen Euro an Kirchensteuer vereinnahmt habe. Es sei Aufgabe der heutigen Zeit darüber nachzudenken, so Albrechts Mahnung an seine eigene Kirche, wie man so viel Geld sinnvoll verwenden müsste in dem Wissen, dass es im Glauben ja vor allem "um die innere Größe", die "stille Entfaltung der Kraft dieses Glaubens" gehe.

Reprint wurde in einer Auflage von 300 Exemplaren aufgelegt

Was wiederum zeigte: Der Inhalt dieses kleinen, in der Fraktur-Schrift gedruckten Büchleins von Pfarrer Rentschler aus Rohrdorf zur Reformations-Geschichte im Bezirk Nagold ist auch im 500. Jubiläumsjahr der Reformation wirklich immer noch brandaktuell und voller Brisanz auch für die heutige Zeit. Der Reprint wurde vom Geschichtsverein in einer Auflage von insgesamt 300 Exemplaren aufgelegt, von denen die 190 Mitglieder des Heimatvereins je ein Freiexemplar erhalten. Die übrigen Exemplare sind für Interessierte zum Beispiel über die Buchhandlung Zaiser in Nagold erhältlich.