Saskia Esken wurde am Wochenende erneut zur SPD-Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Calw/Freudenstadt gewählt, muss sich aber mit deutlicher Kritik aus den eigenen Reihen auseinandersetzen Foto: Geisel Foto: Schwarzwälder-Bote

Nominierung: Esken mit deutlicher Kritik aus eigenen Reihen konfrontiert / Mit 75 Prozent zur SPD-Bundestagskandidatin gewählt

Saskia Esken ist erneut zur SPD-Bundestagskandidatin gewählt worden. Allerdings mit einem für Parteiverhältnisse eher mauen Ergebnis von gut 75 Prozent. Das kommt nicht von ungefähr: Die Abgeordnete sieht sich mit deutlicher Kritik aus den eigenen Reihen konfrontiert.

Nagold. Hans Meier ist ein Mann der Basis. Er gehört zum SPD-Ortsverein Nagold, war früher dessen stellvertretender Vorsitzender. Ihm liegt die Basis und die Region am Herzen.Und er wünscht sich, dass eben diese Region auch in Berlin eine gewisse Rolle spielt, dass sie eine echte Vertretung im Bundestag hat. "Ich will meinen Kirchturm dort vertreten sehen", sagt Meier im Gespräch mit unserer Zeitung.

"Wäre kein Verlust,wenn wir vier Jahre keinen Abgeordneten hätten"

Und genau an diesem Punkt beginnen seine Probleme mit der amtierenden SPD-Abgeordneten Saskia Esken. Denn aus Sicht des Mannes aus Nagold fehlt es der Frau aus Bad Liebenzell an der Verwurzelung an der Basis und in der Region. "Ich erwarte da mehr Lobbyismus für den Kreis, ich erwarte, dass sie die Probleme des Kreises in Berlin löst." Doch genau das sei nicht der Fall gewesen, sagt Maier und macht das zum Beispiel an Themen der Infrastruktur fest. In der Debatte um die Abstufung der B 28 zwischen Herrenberg und Altensteig im Oberen Nagoldtal sei Esken nicht in Erscheinung getreten, auch bei der Debatte um die Gäubahn habe man sie praktisch nicht wahrgenommen – und wenn "dann im Windschatten von CDU-Mann Hans-Joachim Fuchtel", konstatiert Maier. "Und das reicht einfach nicht." Auch beim Thema sozialer Wohnungsbau habe man da wenig von der SPD-Abgeordneten gehört. Statt solcher Themen gehe Esken eher den eigenen thematischen Interessen nach und habe nur "übersichtliche Erfolge" vorzuweisen. Darüber hinaus seien auch manche Auftritte der Abgeordneten in der Region wenig hilfreich gewesen. "Das ist einfach zu wenig. Dafür brauchen wir in der Region keinen Bundestagsabgeordneten der SPD", macht er klar. "Es wäre kein Verlust, wenn wir mal vier Jahre keinen direkten SPD-Bundestagsabgeordneten hätten."

Mit seiner Kritik steht Meier nach eigenen Worten nicht allein. Offensichtlich sind es vor allem die Genossen aus dem Kreis Calw, bei denen es gärt. Der Kreis Freudenstadt sei ganz auf Linie von Esken, berichtet der ehemalige Ortsvereins-Vize. Dass man in Teilen des Kreises Calw nicht zufrieden mit Esken ist, zeige auch die "übersichtliche Beteiligung" der Ortsvereine aus dem Kreis Calw bei der Nominierungsveranstaltung im Sportheim des VfL Nagold. So waren weder Vertreter der Ortsvereine Bad Wildbad noch aus Wildberg anwesend. "Und wenn sie dagewesen wären", ist sich Hans Meier sicher, "dann wäre das Ergebnis für Saskia Esken bestimmt nicht besser ausgefallen."

Den möglichen Vorwurf, er attackiere Esken heimtückisch von hinten, weist er im Gespräch mit unserer Zeitung von sich. "Diesen Brutus-Schuh ziehe ich mir nicht an", stellt er klar. "Die Fronten zwischen mir und Saskia Esken sind klar, Da wissen beide Bescheid, was Sache ist", sagt Meier, der darauf verweist, dass er sich auch in der Nominierungsveranstaltung offen kritisch geäußert habe.

"Alle müssen am digitalen Wandel teilhaben können"

Von diesen Querelen ist bei der Versammlung lange nichts zu merken. Saskia Esken schüttelt die Hände der ersten Genossinnen und Genossen, die zur Wahlkreiskonferenz der SPD eintreffen. Nach ein paar einleitenden Worten und der Klärung notwendiger Formalitäten durch Gerhard Gaiser, Vorsitzender des Freudenstädter SPD-Kreisverbandes, tritt Esken an den Stehtisch. Dort erinnert sie sich an ihre Wurzeln, ihre jungen Jahre, in denen sie linkspolitisch aktiv war, an Protesten gegen rechte Bewegungen teilnahm. Im Jahr 1990 führt der Weg der heute 55-Jährigen zu den Sozialdemokraten. Beruflich hat Esken so einige Erfahrungen gesammelt, sei es als Paketbotin oder Chauffeurin. "So habe ich das Leben kennengelernt", lacht die dreifache Mutter.

Heute ist sie Bundestagsabgeordnete mit einem besonderen Faible für Bildungspolitik, wie die ehemalige stellvertretende Vorsitzende des baden-württembergischen Landeselternbeirates erklärt. Ihr beruflicher und fachlicher Hintergrund als staatlich geprüfte Informatikerin und Softwareentwicklerin habe ihr außerdem den Posten der stellvertretenden digitalpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion eingebracht. Für Esken ist klar: "Digitalpolitik ist Sozialpolitik. Wir müssen den Anspruch haben, dass am digitalen Wandel alle teilhaben können und keiner unter die Räder kommt".

Nach der Debatte, an der sich auch Hans Meier beteiligt, ist es schließlich Zeit, die Stifte zu spitzen und die Wahlzettel zur Hand zur nehmen. Das Ergebnis: Mit 37 Ja-Stimmen, zehn Kreuzen bei Nein und zwei Enthaltungen wird Esken als Bundestagskandidatin der Calwer und Freudenstädter Sozialdemokraten wiedergewählt. Zu Delegierten für die Landesvertreterversammlung wurden gewählt: aus dem Kreis Calw: Saskia Esken, Andreas Reichstein, Daniel Steinrode; als Ersatz: Petra Dipper, Andreas Röhm, Lothar Kante; aus dem Kreis Freudenstadt: Gerhard Gaiser, Viviana Weschenmoser, als Ersatz Matthias Lindner und Axel Ebner.