Seit diesem Schuljahr gibt es am OHG Nagold eine Integrationsklasse, die von Lehrerin Melanie Schmid geführt wird. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Asyl: Integration der jungen Flüchtlinge stellt Nagolder Schulen vor Herausforderungen

Menschen, die nach Deutschland kommen, sollen Deutsch lernen, einen Schulabschluss machen und in das Berufsleben starten. Kurzum: sich integrieren. Was theoretisch einfach klingt, stellt die Nagolder Schulen vor eine Herausforderung.

Nagold. Manche von ihnen kommen aus Kriegsländern wie Syrien oder Afghanistan. Andere wiederum aus dem europäischen Ausland. Ihre Deutschkenntnisse: kaum bis gar nicht vorhanden. Rund 130 Schüler besuchen in Nagold eine Vorbereitungsklasse – kurz VKL – oder eine VABO-Klasse (Vorbereitungsjahr Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse). 130 Schüler also, die es gilt, zu integrieren. Doch wer kümmert sich um welche Schüler? Wie sieht der Integrationsunterricht überhaupt aus? Und welche Probleme gibt es zu bewältigen?

Sechs Schulen teilen sich in Nagold die Zuständigkeit für die schulpflichtigen Neuankömmlinge. Welche Schule die Mädchen und Jungen besuchen, hängt vom Alter ab. Von Klasse 1 bis 4 gibt es eine VKL in der Lembergschule, ab der fünften bis zur neunten Klasse wird eine VKL in der Zellerschule angeboten. Die Jugendlichen ab 16 Jahren werden zwischen der Rolf-Benz-Schule, der Annemarie-Lindner-Schule (ALS), der Kaufmännischen Schule sowie dem Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) aufgeteilt.

Hauptziel aller VKL und VABO-Klassen ist das Erlernen der deutschen Sprache, weshalb die meisten Schulstunden hierfür verwendet werden. "Wir beginnen Montagmorgens mit einem Sprechkreis. Die Schüler erzählen von ihrem Wochenende, und wir animieren sie so zum Sprechen", führt Annabelle Adrion, Klassenlehrerin der VKL an der Zellerschule, ein Beispiel aus ihrem Unterricht an. Auch das Erarbeiten von Themenfeldern oder Wiederholen von Vokabeln erweitert und festigt den Wortschatz.

Die größte Herausforderung sehen die meisten Schulen in der Heterogenität der Gruppe hinsichtlich des Bildungslevels. "Wir haben vom Schüler, der nicht in der Muttersprache alphabetisiert ist, bis hin zum Schüler, der auf eine dem Gymnasium ähnliche Schule gegangen ist, so ziemlich alles", erklärt Melanie Schmid, Klassenlehrerin der VKL am OHG, die schwierige Zusammensetzung. Manche Flüchtlinge wurden beispielsweise zuhause nie beschult, andere sind schon so lange auf der Flucht, dass sie das "zur-Schule-gehen" wieder neu lernen mussten.

Der Unterricht beinhalte deshalb oftmals eine Mischung aus Gruppen- und Einzelarbeit. Lernstarke Schüler können manchmal bereits in eine Regelklasse teilintegriert werden, um somit besser voran zu kommen. In der Zellerschule ist das bereits bei drei Kindern der Fall. "Da ist auch viel Absprache zwischen den Kollegen nötig", erklärt Ulrich Schubert, Schulleiter der Zellerschule.

Die meisten Schüler – 88 an der Zahl – betreut das Kreisberufsschulzentrum (BSZ). Jede der drei Schulen hat zwei VABO-Klassen, die Jugendlichen dort sind zwischen 16 und 20 Jahren. Dabei nimmt das BSZ sogar mehr Schüler auf, als es müsste – denn offiziell endet die Beschulung mit der Volljährigkeit. "Wir wollen nicht, dass die Flüchtlinge auf der Straße stehen", sagt Ilona-Maria Cwik-Lorz, Schulleiterin der ALS.

Bei den VABO-Klassen gibt es im Gegensatz zu den VKLs außerdem eine Besonderheit: Einige Stunden sind speziell für die Lernberatung vorgesehen. Zusätzlich absolvieren die Schüler ein 14-tägiges Praktikum. An der ALS steht bei den Neuankömmlingen aufgrund des Schulprofils beispielsweise auch Nahrungszubereitung und Textilarbeit auf dem Stundenplan. "Das funktioniert wirklich gut", bilanziert Heinz Krettek, Schulartbeauftragter an der ALS, die bisherige Integration. Zwischen Lehrern und Schülern hersche untereinander ein "Synergieeffekt". "Es ist ein Geben und Nehmen", so Krettek.

Doch auch das Berufsschulzentrum stößt langsam aber sicher an seine Grenzen. "Wir haben gemerkt, die beruflichen Schulen können es alleine nicht mehr schultern", erklärt Reinhard Maier, Schulleiter der Rolf-Benz-Schule, der in seiner Funktion als geschäftsführender Schulleiter der beiden Berufsschulzentren in Nagold und Calw die Flüchtlinge zuteilt. Deshalb habe man sich an das OHG gewandt.

Dort gibt es nun seit diesem Schuljahr ebenfalls eine Integrationsklasse, die hier allerdings als VKL geführt wird, da der berufliche Aspekt wegfällt. Von den zwölf Schülern, die seit September die Vorbereitungsklasse am OHG besuchen, haben etwa die Hälfte einen Asylstatus. "Ich sehe uns als Institution in der Pflicht, zu helfen", begründet Walter Kinkelin, Schulleiter des OHG, die freiwillige Einführung einer VKL. Bislang habe man auch nur Positives über die neuen Schüler zu berichten. "Sie kommen voller Begeisterung, sind hungrig zu lernen." Sobald das Sprachlevel A2 erreicht ist, können die Schüler an den allgemeinbildenden Schulen vollintegriert werden und in eine Regelklasse wechseln.

Im Falle der Berufsschule besuchen sie dann eine VAB-Klasse – das O fällt aufgrund der nun vorhandenen Deutschkenntnisse weg –, um ihren Hauptabschluss nachzuholen. Bislang habe man die dafür benötigte Zeit laut Maier allerdings etwas zu optimistisch eingeschätzt: "Wir waren, als wir vor zwei Jahren angefangen haben, sehr euphorisch."

Mittlerweile sei man sich darüber im Klaren, wie viel Zeit die Integration benötigt und dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen müssen. Genau das funktioniere in diesem Schuljahr sehr gut. "Es ist eben ein wechselseitiger Prozess", so Maier. "Deshalb müssen wir alle lernen, lernen, lernen."