In Nagolds Stadtkirche (Foto) aber auch in Haiterbach gab die evangelische Kantorei ihre Sommerkonzerte. Foto: Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Nagolder Kantorei singt beim Sommerkonzert in der Stadtkirche Motetten aus vier Jahrhunderten

Von Sebastian Bernklau Nagold. Es war als ein Sommerkonzert der Nagolder Kantorei angekündigt. Doch wer am Sonntagabend in der Stadtkirche leichte musikalische Kost erwartet hatte, der sah sich getäuscht. Denn was die Kantorei unter Leitung von Eva-Magdalena Ammer da zu Gehör brachte, war komplex, anspruchsvoll und jenseits von so manchen Hörgewohnheiten.Ammer hatte ein Programm aus Motetten aus vier verschiedenen Jahrhunderten zusammengestellt. Das reichte vom großen Heinrich Schütz über Johann Christoph Bach – ein Mitglied der großen Bachfamilie, das älter als der große Johann Sebastian war – den großen Romantiker Felix Mendelssohn-Bartholdy bis hin zu Komponisten aus dem 20. Jahrhundert wie Hugo Distler und dem Vater des Nagolder Stadtmusikdirektors Florian Hummel, Bertold Hummel und dem noch lebenden Norweger Knut Nystedt.

Stilistisch zog sich also kein roter Faden durch das Programm. Und auch die Bezeichnung einer Motette gibt dem Zuhörer wenige Anhaltspunkte. Denn anders als bei klar definierten Formen wie einer Fuge, einer Sinfonie oder einem Klavierkonzert, hat sich die Form der Motette über die Jahrhunderte verändert.

Und so hörten die Besucher in der gut gefüllten Stadtkirche ein beeindruckendes Musik-Kaleidoskop, das sie mitnahm auf eine Reise durch die Geschichte der klassischen Musik.

Ein so komplexes Programm bedeutet, dass Eva-Magdalena Ammer ihrer Nagolder Kontorei viel zutraut. Und der große Chor zahlte dieses große Vertrauen mit einem beeindruckenden Konzert zurück. Das startete mit einer formalen Besonderheit, denn das erste Stück von Knut Nystedt stimmten die Sänger bereits während ihres Einmarsches durch den Mittelgang der Kirche an. Einen technisch wie musikalisch anspruchsvollen Ausflug in die Barockzeit stellte "Ich lasse dich nicht, du segnest mich den" aus der Feder des Johann Christoph Bach dar.

Ganz unterschiedliche Welten prallten bei den nächsten Stücken aufeinander. Sowohl Heinrich Schütz (1585-1672) als auch Hugo Distler (1908-1942) hatten sich des gleichen Textes angenommen. Bei der Aufführung zeigte sich, wie flexibel die Kantorei agieren kann. Vor allem beim Distler-Stück gelang dem Chor trotz seiner personellen Stärke ein überaus angenehmer schlanker Klang.

Das kam dem Chor auch bei den elegischen Klangwelten des Bertold Hummel in dessen "Gloria" zugute, das die Sänger in großer Klarheit und Sauberkeit intonierten. Klangstark erwies sich die Kantorei auch bei "Richte mich, Gott" des Romantikers Felix-Mendelssohn-Bartholdy, das im Vergleich zu den anderen Stücken einfacher strukturiert und somit zugänglicher war.

Als Kontrapunkt zu den – musikalisch wie thematisch – ernsten und gravitätischen Motetten, spielte der Organist Leonhard Völlm Stücke von Dietrich Buxtehude (1637-1707) und Christian Heinrich Rinck (1770-1846), bei denen der Musiker die ganze Bandbreite der restaurierten Kirchenorgel nutzte, um bei aller Ernsthaftigkeit auch den einen oder anderen musikalischen Scherz einzubauen.