Reinhard Hauber hat sein eigenes Auto verkauft und nutzt lieber das Stadtmobil. Foto: Fritsch

Stadtmobil soll Verstärkung bekommen. Bürger setzen sich für Nachhaltigkeit ein. Auto als "Bereicherung".

Nagold - Blitzblank und knallrot steht er vor der Burgschule in der Calwer Straße: der Astra des Nagolder Carsharing-Projektes "Stadtmobil". Stadtpfarrer Reinhard Hauber zückt seinen Chip und öffnet die Autotür. "Das Auto ist für mich eine richtige Bereicherung." Ein zweites soll in Zukunft folgen.

"Wir haben sehr für dieses Projekt gekämpft", erklärt Hayriye Marder, Sprecherin der Carsharing-Gruppe in Nagold. Die Ortsgruppe besteht derzeit aus rund zehn Mitgliedern, die sich allesamt für die Nachhaltigkeit in der Stadt – mit dem Auto für Jedermann – einsetzen.

Reinhard Hauber streicht über die Tür des Astras. "Ich habe mein Auto verkauft, nachdem das Carsharing in Nagold eingeführt wurde", sagt er sichtlich zufrieden. Der Pfarrer war auch derjenige, der den entscheidenden Anstoß gab als er die Idee "sich ein Auto zu teilen" im Winter 2012 dem städtischen Umweltbeauftragten Peter Widmann-Rau vorgeschlagen hatte, erzählt Thomas Ebinger vom BUND. Es hätten sich daraufhin schnell Gleichgesinnte und motivierte Bürger zusammengetan, die den Stein ins Rollen gebracht haben.

In Hayriye Marder fanden sie dann eine Frau, die Feuer und Flamme war, alles in die richtigen Bahnen lenkte und den Kontakt zum Verein "Stadtmobil Stuttgart" herstellte. Der Verein hat bereits einige Carsharing Projekte im Stuttgarter Raum. "Ich habe Carsharing vor sieben Jahren in Reutlingen kennengelernt", erzählt Hayriye Marder, "und war total begeistert davon."

Vor 13 Jahren habe es schon einmal erste Versuche gegeben ein Carsharing-Projekt in die Gänge zu bringen, das allerdings scheiterte. "Wir wollten das Projekt einfach noch mal angreifen und jetzt richtig aufleben lassen", sagt Marder. Mit der Unterstützung des Vereins war der Grundstein für das Projekt gelegt.

Die Ortsgruppe befindet sich derzeit noch in der Testphase. "Die dauert jetzt noch ein Jahr", erklärt Marder. "Wir haben zum Beispiel zugestimmt, dass wir jeden Monat 1500 Kilometer mit dem Astra zurücklegen, um zu beweisen, dass er genutzt wird." Bisher liefe es sehr gut, sodass auch schon der Gedanke eines Zweitwagens im Raum steht. Die aktiven Mitglieder nutzen das Auto bisher sehr unterschiedlich. "Manche fahren nur 50 Kilometer im Monat, manche regelmäßig", so Marder.

Pfarrer Reinhard Hauber sei zum Beispiel öfter unterwegs. "Ich bin wirklich sehr zufrieden", sagt er. "Autos sind doch meist nur Stehzeuge", betont er. "Die Leute gehen arbeiten und das Auto steht nur rum." Thomas Ebinger fügt noch hinzu: "Oder man fährt immer mit seinem Auto, denn Nagold ist mit seinen weiträumigen Standorten auch nicht ganz so einfach zu erreichen."

Reinhard Hauber sei es daher besonders wichtig gewesen, eine umweltverträgliche Lösung zu finden, die für jeden passend sei. "Es braucht nicht jeder ein Auto zu fahren", ist er überzeugt. "Denn wenn man seine Termine ein bisschen plant, dann kann man das Auto sehr gut nutzen." Er selbst fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit. "Und wenn ich dann mal einen Ausflug machen möchte, dann buche ich das Auto einfach.

Mit der Entscheidung sein eigenes Auto verkauft zu haben, sei er "sehr glücklich". Er habe zum einen aus ökologischen Gründen so gehandelt. "Der Öffentliche Nahverkehr ist für mich gut ausgebaut." Zum anderen sei sein Auto auch "eine Last" gewesen. "Manchmal bin ich es nur gefahren, damit es sich mal bewegt hat", erzählt er.

Auch Ursula Ledwig-Massonne nutzt den roten Astra des Carsharing-Projektes. "Die Idee gefällt mir natürlich wegen des Umwelt-Faktors", erzählt die Leiterin des Beratungsunternehmens Hilfestellung. "Außerdem habe ich die Möglichkeit ein neues Fahrzeug mit einem sparsamen Verbrauch, neuer Technik und ohne Wartung zu nutzen."

"Brauche ich mein Auto wirklich?"

Hayriye Marder ist sich sicher: "Dass jeder ein Auto hat, ist in unserer Region sehr tradiert. Man muss sich aber ernsthaft fragen: Brauche ich mein Auto wirklich? Oder reicht es nicht aus, wenn ich ab und zu mal eins nutze?" Nur so könne ein Umdenken in den Köpfen geschaffen werden. Die Nagolder Ortsgruppe trifft sich oft zum Austausch und diskutiert genau diese Fragen, plant Aktionen und Versammlungen.

Seit Anfang des Jahres besteht auch eine Zusammenarbeit mit der Herrenberger Gruppe, mit der sie sich austauschen. Zum nächsten Stammtisch am Donnerstag, 16. April, um 19 Uhr, können alle Interessierten, Nutzer und Aktive ins Gasthaus Schiff (Nebenraum) kommen. "Dort können auch alle Fragen zum Projekt gestellt werden", sagt Hayriye Marder.

Reinhard Hauber schließt den Astra ab. Für heute braucht er ihn nicht mehr. Aber den nächsten Ausflug hat er schon geplant. Und der ist mit der Buchung am PC nur ein Klick weit entfernt.