Die Trennung von EU und Großbritannien kommt.            Foto: ©  nito/Fotolia.com Foto: Schwarzwälder-Bote

Abstimmung: Im Landkreis lebende Briten können Folgen des Ergebnisses noch nicht abschätzen

Von Alfred Verstl und Nadine Klossek

Das Ergebnis kam überraschend. Dass die Briten die EU verlassen wollen, hat viele geschockt. Auch die etwa 20 Pfarrer aus dem Kirchenbezirk Calw, die sich zu einem Konvent in England befanden, sind gestern Morgen erschrocken.

Kreis Calw. "Schon am Abend zuvor hat es mit unseren englischen Gastgebern kein anderes Thema gegeben", sagt Calws Stadtpfarrer Dieter Raschko in einem Telefongespräch mit unserer Zeitung während der Zugfahrt zum Rückflug. Der Tenor in den britischen Nachrichten sei eher in Richtung Bleiben gegangen. Man habe sich da vor allem auf die Buchmacher gestützt, nach deren Quoten die Wahrscheinlichkeit für ein verbleibend der Briten in der EU bei 85 Prozent lag.

"Beim Frühstück waren wir dann alle geschockt", sagte Raschko weiter. Von den englischen Gesprächspartnern der Calwer Pfarrer sei niemand für den Brexit gewesen. Man habe, so der Calwer Pfarrer, das Gefühl gehabt, am besten keinen Briten auf das Abstimmungsergebnis anzusprechen.

"Beste Freunde haben sich angebrüllt"

Johanna Geske stammt ursprünglich aus Nagold, zog allerdings aus beruflichen Gründen nach Großbritannien. Seither lebt sie in einem kleinen Dorf namens West Hoalthy zwischen London und Brighton. "Bei der Abstimmung selbst war ich nicht in England", erklärt Geske. Doch in den Wochen zuvor sei der Brexit immer wieder ein Thema gewesen. Am Anfang wurde aus ihrer Sicht viel darüber gesprochen, doch je näher die Abstimmung rückte, desto weniger wollten die Leute davon wissen. Greske vermutet, dass man dem Thema Brexit aus dem Weg gehen wollte, da sich selbst in den Familien und Freundeskreisen die Lager in Befürworter und Gegner aufspalteten. "Da gab es in den Pubs die hitzigsten Diskussionen und beste Freunde haben sich angebrüllt", berichtet die Wahl-Britin.

"Großbritannien wird das auf jeden Fall zu spüren bekommen und zwar schneller als gedacht. Sei es in steigenden Preisen oder der Abwanderung von Arbeitskräften", ist sie sich sicher. Ihr persönlich machen vor allem die vielen Fragen bezüglich ihres Aufenthaltsstatus und der Arbeitslage zu schaffen. "Ich werde am Montag erstmal die Botschaft anrufen", so die 24-Jährige. Eine Rückkehr nach Deutschland schließe sie nach dieser Entscheidung nicht aus.

Das Votum muss Andrew Kenworthy erst ein mal verdauen. Es werde sicher Wochen oder gar Monate dauern, bis die Konsequenzen für die Briten, die EU, aber auch für ihn und seine Familie deutlich werden. Da der 49-jährige Informatiker, der mit seiner deutschen Frau und zwei Kindern in Bad Liebenzell-Monakam wohnt, schon seit mehr als 15 Jahren nicht mehr in Großbritannien lebt, konnte er an der Abstimmung nicht teilnehmen. Das findet er schade. Er sieht die ganze Sache eher auf der pragmatischen Ebene. Zum einen fühlen sich seine Familie und er sich wohl in Deutschland, zum anderen überlegt sich der Engländer schon, ob er im Rentenalter vielleicht in seine Heimat zurückkehrt.

"Ich bin enttäuscht", sagt kurz und knapp Philip Greenwood. Der Engländer arbeitet als Landschaftgärtner bei der Stadt Bad Wildbad. Als er gestern zur Arbeit gekommen sei, hätten seine Kollegen spaßeshalber schon mal seinen Stuhl weggeräumt. Der 59-Jährige Läufer und Tischtennisspieler, der seit 25 Jahren in der Kurstadt lebt, mit einer Deutschen verheiratet und Vater einer Tochter ist, befürchtet, dass es nun innerhalb des Vereinigten Königreichs verstärkt zu Konflikten kommen wird – insbesondere mit Schottland und Wales.

"Gut, dass man abstimmen konnte"

"Ich finde es gut, dass man abstimmen konnte", sagt Mark Dew. Man müsse jetzt abwarten, ob sich die Entscheidung als gut oder schlecht herausstellen wird.

Der Brief- und Paketzusteller, der in Calw-Altburg lebt und seit 2004 in Deutschland ist, kann sich vorstellen, dass er künftig eine Arbeitsgenehmigung braucht, die er bislang als EU-Bürger nicht benötigt habe. So wie er die deutsche Bürokratie kenne, seien diesbezüglich Veränderungen zu erwarten.