Noch bis Freitag kommender Woche bleibt Nagolds Innenstadt ein Nadelöhr, weil die Umfahrungsstraße für den Ausbau des Kreisverkehrs am Durchlass gesperrt bleiben muss. Noch steht nicht endgültig fest, ob der Blumenswing in der Marktstraße der vorübergehenden Verkehrslawine weichen muss. Foto: Fritsch

Eine Woche lang herrscht notgedrungen Ausnahmezustand in der Innenstadt. Gnadenfrist für den "Blumenswing".

Nagold - Nagolds Kernstadt erlebt ihr Déjà-vu. Eine Verkehrslawine wälzt sich durch die Marktstraße wie ehedem, als es noch keine Verkehrumgehung gab. Mindestens bis Freitag nächster Woche müssen sich Anwohner und Einzelhändler mit diesem Ausnahmezustand abfinden."Eine Katastrophe", wettert Bekleidungshändler Peter Benz mit Blick auf die Kolonne, die an ihm vorbeirauscht: "Da kauft doch niemand ein!" Just in diesem Moment donnert ein tonnenschwerer Kieslaster an ihm vorbei, als ob sämtliche Verkehrvorschriften in der Marktstraße aufgehoben worden wären. Passanten schütteln verständnislos den Kopf.

Kleine Ursache, große Wirkung: Weil der Kreisverkehr vor dem Durchlass in der Herrenberger Straße für den zunehmenden Verkehr "ertüchtigt" werden muss, kommt Nagold um vorübergehende Verkehrsbehinderungen nicht herum. Seit gestern aber die einspurige Notumfahrung über die Vordere Kernenstraße, über die der Verkehr in und aus Richtung Calw floss, für den Kreiselausbau gestrichen werden musste, ist die Marktstraße de faco wieder zur alten Bundesstraße mutiert – mit Tausenden von Fahrzeugen, Autos wie Schwerlastern.

Dabei hatte man in der Stadtverwaltung vorgesorgt und versucht, gerade den Schwerlastverkehr schon frühzeitig, nämlich in Wildberg, abzufangen und großräumig – über Jettingen – umzuleiten. Nur: Die wenigsten Brummifahrer scheren sich drum und ignorieren stattdessen alle Ausweichempfehlungen. Die Folge: In der Marktstraße geht’s oft eng zu, weil der Blumenswing – ein florales Überbleibsel aus Landesgartenschauzeiten – die Fahrbahn einengt. Zwei Laster kommen da kaum aneinander vorbei, nicht selten weichen sie aufs freie Trottoir aus.

"Ja, ist das denn hier keine Fußgängerzone?", echauffieren sich umgehend die Kunden, die normalerweise um diese Zeit ungestört durch Nagolds Innenstadt schlendern können. Aber solche Verkehrsverhältnisse schrecken ab: "Was den Umsatz anbelangt, war dies der schlechteste Samstag in diesem Jahr", sagt Nagolds Gewerbevereinsvorsitzender Helmut Raaf. Aber er weiß: Zu dieser Notlösung mit der Öffnung der Marktstraße gibt es keine Alternative: "Da müssen wir durch."

Das sagen sich offenbar auch viele Autofahrer, die, gestresst vom Stop-and-go-Verkehr durchs Nadelöhr, alle Verkehrsanordnungen missachten und aufs Gas treten. Dabei gilt: Trotz der Umleitung bleibt die Marktstraße verkehrsberuhigter Bereich – also mit vorgeschriebener Schrittgeschwindigkeit und einer Gleichberechtigung von Fußgängern und Fahrzeugen. Nicht nur das städtische Ordnungsamt wird in den nächsten Tagen ein waches Auge darauf haben, dass das Schritttempo auch eingehalten wird. Auch mit der Polizei ist man schon in Kontakt, so OB Jürgen Großmann, um "Ausreißer zu vermeiden".

Und nicht alles, was bislang erlaubt war, bleibt in den nächsten Tagen unbestraft. Damit der Verkehr fließen kann, wurde ein absolutes Halteverbot in der Marktstraße verhängt. Jedes parkende Auto führt automatisch zu Rückstaus. Bislang durfte man in der verkehrsberuhigten Zone kurz aussteigen und seine Besorgungen machen, bis Freitag – appelliert Nagolds Ordnungsamtsleiterin Silvia Walz – sollte man darauf verzichten: "Man kann viel dazu beitragen, dass der Verkehr einigermaßen fließt". Ansonsten drohen eben Konsequenzen. Großmann rigoros: "Wir schleppen sofort ab."

Das größte Problem indes hat die Stadt selbst: Was ist, wenn die Marktstraße von zwei ineinander verkeilten Schwerlastern verstopft wird – und der Notarzt, ein Krankenwagen oder die Feuerwehr muss durch? Oberbürgermeister Jürgen Großmann hatte gestern schon den Notfallplan im Kopf: "Ich kann zwar alles ausschildern, aber niemand zur Umfahrung zwingen. Wenn alles nichts hilft, müssen wir den Blumenswing abbauen. Wahrscheinlich wird das die Lösung sein", erklärte er morgens auf Anfrage unserer Zeitung: "Schade, aber es lässt sich nicht umgehen." Derweil kämpfte im Hintergrund sowohl Citymanagerin Angela Nisch wie auch Gewerbevereinsvorsitzender Helmut Raaf darum, den Swing nicht der vorübergehenden Blechlawine zu opfern. "Der verlangsamt den Verkehr doch", argumentierte Nisch. Auch Raaf machte sich für den Erhalt des Swings stark: "Dann haben wir einen schönen Herbst – und die Blumen sind weg."

Am Nachmittag dann Entwarnung, nachdem bei der Beschilderung nachjustiert wurde: "Der Verkehr fließt", konstatiert der OB und gibt dem Swing noch eine Gnadenfrist bis Sonntag. Dann will man endgültig entscheiden, ob die Blumenkübel weichen müssen. Ein Notarzt im Einsatz kam gestern übrigens problemlos durch: "Das hat funktioniert", so der OB.

Mindestens bis Freitag kommender Woche wird dieser Ausnahmezustand in Nagolds guter Stube anhalten. Gewerbevereinschef Helmut Raaf, selbst Stadtrat, glaubt indes schon einen "Rückfall in alte Zeiten" auszumachen. Manchen komme diese Öffnung der Marktstraße nämlich gelegen. Dem will Raaf rechtzeitig vorbeugen: "Wir haben unmissverständlich klar gemacht, was geht und was nicht. Nicht, dass sich hier was einschleift."