Patrick Guhse in seinem bisherigen Ausstellungsraum in der Bahnhofstraße 13. Der Schreinermeister und Möbelkünstler sucht bereits nach neuen Räumlichkeiten. Nur Innenstadt macht für ihn Sinn. Foto: Mikulcic

Rudolf und Anita Haisch schließen ihr Café. Nachpächter ist gefunden. Patrick Guhse muss Neubauplänen weichen.

Nagold - Die Bahnhofstraße ist unverzichtbarer Bestandteil des Nagolder Geschäfts- und Ausgehlebens. Zwei Veränderungen bahnen sich in naher Zukunft an.

Als Patrick Guhse im Oktober kam, wusste er schon, dass er nicht würde bleiben können. In der Bahnhofstraße 13 hat der Schreinermeister vorigen Herbst einen Showroom, einen Ausstellungsraum für seine Arbeiten, eröffnet. Dass es so kam, ist purer Zufall. Am Samstag, 15. August, zwischen 11 und 14 Uhr werden Passanten den Raum in seiner jetzigen Form zum letzten Mal geöffnet vorfinden.

Im Grunde hatte er einfach nur einen Rahmen gesucht, in dem er zeigen konnte, dass Handwerk zu Ergebnissen weit über die in der Regel pragmatischen Anforderungen hinaus in der Lage ist. Innerhalb von nicht einmal sechs Monaten hat dieses Projekt sich etabliert. Und zu einer Art Galerie entwickelt. Neben Patrick Guhse bestücken seit Mai fünf Vertreterinnen des Kunstkreises "Oberes Nagoldtal" mit ihren Exponaten den Raum. "Speziell das Gebäude, das alte Haus, auch das Ambiente der Bahnhofstraße – das passt gut", sagt er. Bald wird ein neues Wohn- und Geschäftshaus dort stehen, wo heute dienstags und samstags Formfans und Neugierige noch Einlass finden. Der jetzige Bau wird abgerissen.

"Ich bin viel zu sehr vom Fach, um mich dem Fortschritt zu verschließen", sagt Guhse, um eine Bewertung der anstehenden Maßnahme gebeten. "Ein Neubau kann den Charakter der Bahnhofstraße aufwerten. Es kommt darauf an, wie man es macht", merkt der Handwerksmeister an. "Wir haben eine fantastische Innenstadt, das ist ein Riesen-Standortvorteil", formuliert Guhse mit Überzeugung.

Die Nagolder Innenstadt sei vom Gesamtcharakter her eben alt. Das gelte es zu berücksichtigen. Einer Fassade die Form des Vorgänger-Gebäudes zu geben, heißt für den Grenzgänger zwischen Handwerk und Kunst, den Ursprungscharakter einer gewachsenen Anlage zu respektieren. Als persönliches Positiv-Beispiel der Modernisierung von Bausubstanz nennt er die Kreuzertalgasse. Ob oder nicht sich eine solche architektonische Reminiszenz realisieren lässt, ist nicht zuletzt auch eine Frage des Willens. Immer aber eine Frage des Geldes. Dessen ist Guhse sich bewusst.

Zur Zukunft seines Ausstellungskonzepts sagt der gebürtige Jettinger: "Ich möchte das ganz klar weiterführen. In Nagold. Aber ich muss es mir leisten können", In der bisherigen Örtlichkeit habe er Preis und Ambiente in einem idealen Verhältnis zueinander vorgefunden. "Auf den Wolfsberg oder Eisberg gehen, das bringt nix." Ein Radfahrer hält an, grüßt. Die Auslage sei für ihn immer ein Anlass zum Bremsen gewesen, bemerkt der Passant. "Dort oben läuft niemand vorbei", erklärt Guhse, warum für sein Angebot der Standort Innenstadt Existenzvoraussetzung ist.

Im Rahmen der Öffnungszeiten hätten sich häufiger geradezu philosophische Gespräche darüber entsponnen, inwiefern sich das Wesen der Kunst und das des Handwerks ähnelten und was nun die jeweiligen Ausübenden verbinde oder unterscheide. Für Patrick Guhse war die Zeit in der Bahnhofstraße eine gute. Nun ist er nach neuen Räumlichkeiten auf der Suche.

Nicht mehr zu suchen brauchen hingegen Anita und Rudolf Haisch. Sie haben, wonach sie suchten, gefunden. Einen Nachpächter. Nur ein paar Meter weiter stadtauswärts, in der Bahnhofstraße 29, haben sie seit Oktober 2003 Café, Restaurant und Pension betrieben. Es scheint in diesem Jahr der Schicksalstag der Bahnhofstraße zu sein, aber genau am 15. August hat auch das Café Haisch seinen letzten Öffnungstag.

Das sonntägliche Frühstücksbüffet, das bisher sozusagen das Herzstück im Angebot des Familienbetriebs war, findet somit zum letzten Mal am 9. August statt. Wer erst am 16. August Lust auf alles von Ei bis O-Saft verspürt, wird gegenüber des Amtsgerichts vergeblich am Türgriff rütteln. "Wir wollen zusammen unser Leben richtig genießen", nennt Anita Haisch ein zentrales Vorhaben des neuen Lebensabschnitts.

Zum einen sind da die beiden Enkel. Dass für sie nun mehr Zeit ist, freut Anita Haisch. Neun Jahre führten sie und ihr Mann den Betrieb ohne Ruhetag. Zwei, drei Wochen Urlaub im Jahr. Das war alle Freizeit, die Familie Haisch zur Verfügung stand. Meist sei man da zum Urlauben ins Ausland gefahren, sagt Anita Haisch. Das eigene Land sei auf diese Weise zu kurz gekommen. Sich ausführlich Deutschland anzusehen, das haben Rudolf Haisch und seine Frau in naher Zukunft vor. Den Betrieb weitergeben, ja, das hätten sie schon seit einiger Zeit ins Auge gefasst. Auch, weil Rudolf Haisch nun im Ruhestand ist. Vor Kurzem hatte es im Café Haisch bereits verkürzte Öffnungszeiten gegeben. Anita Haisch hatte sich einer OP unterziehen müssen. Doch sind es nicht gesundheitliche Gründe, die den Abschied bedingen, betont sie.

Der Nachpächter ist also in Sicht, die Übernahme des Inventars geregelt. Zudem hat ein neuer Eigentümer das Gebäude gekauft. Als der ersehnte Fall eintrat, habe sie sich beinahe überrumpelt gefühlt, beschreibt die bisherige Café-Betreiberin die Gefühle von vergangenen Mittwoch. So schnell sei es gegangen. "’S ist gut, dass es so gekommen ist", findet Anita Haisch. "Wir können jetzt einen sauberen Schnitt machen".

Übernachtungen will auch der neue Pächter anbieten. So viel steht scheinbar schon fest. Voraussichtlich ab Herbst nimmt er den Pensionsbetrieb wieder auf. Welches gastronomische Konzept das bisherige Café-Restaurant ablöst, ist bisher aber noch nicht bekannt.