Ein Bild, das man sonst nur aus Brennpunktvierteln von Großstädten kennt – mitten in Nagold. Foto: Fritsch

Station Stadtmitte in Nagold zeigt sich in verheerendem Zustand. Wenigstens der Aufzug fährt wieder.

Nagold - Das hat eine Weile gedauert: Nach über drei Monaten hin und her geht der Aufzug am Bahnhof Stadtmitte wieder. Dennoch zeigt sich die relativ junge Station in einem Zustand, der an Brennpunktviertel in Großstädten erinnert.

Für alle Bahnfahrer, die am Bahnhof Stadtmitte aus- und einsteigen mussten, hieß es bis vor zwei Wochen, 75 Stufen zu erklimmen – für manche eine nicht zu bewältigende Herausforderung. Darauf hingewiesen hat ein kleiner roter Kreis mit weißem Balken und dem Schild "Aufzug defekt" – vor der Glastür im Dreck.

Aber warum musste man so lange auf andere Bahnhöfe ausweichen, wenn man nicht gut zu Fuß ist? Aus dem Rathaus hieß es: Das ist Sache der Bahn. Die zuständige Stelle bei der Stadtverwaltung hat aber erst vor drei Wochen erfahren, dass der Aufzug überhaupt kaputt ist. Verwunderlich, wenn man aus zuverlässiger Quelle weiß, dass zumindest OB Großmann schon seit mindestens Januar über den Zustand am Bahnhof Stadtmitte Bescheid wusste.

Sonntagmorgens wartet ein unschöner Willkommensgruß

Die Bahn will den genauen Zeitpunkt, seitdem sie von dem kaputten Aufzug wusste, nicht recht rausrücken und argumentiert mit der Schwere der Schäden: "Die Firma Thyssen musste zweimal anrücken, und die Beschaffung der Ersatzteile braucht auch ihre Zeit." Die Person, die Näheres zu dem Fall berichten könnte, war zum Zeitpunkt der Anfrage in einer Telefonkonferenz. Zitat: "Mit wichtigeren Problemen beschäftigt."

Aber auch wenn die Barrierefreiheit nun wieder hergestellt ist, stellt sich der Zustand der ehemaligen Vorzeigestation der Landesgartenschau als verheerend heraus. Scheiben am Geländer – gesplittert; Fahrkartenautomat – in ein paar Monaten fünf Mal funktionsuntüchtig und wiederhergestellt. Die "Kunstwerke" wenig begabter Graffitikünstler zieren die modernen Glasgeländer. Wenigstens der regelmäßig kaputte Fahrkartenautomat spart den Einzelkartenkäufern Geld. Kontrolleure auf der Strecke nehmen die Tatsache, dass der Automat nicht funktioniert, mittlerweile einfach als gegeben hin.

Dem regelmäßigen Bahnfahrer fällt auch die bedenklich vielfältige Menge verschiedenster Körperflüssigkeiten auf, die als regelmäßiger Willkommensgruß am Sonntagmorgen warten.

Wer hat Schuld? Die Jugend natürlich, lautet die landläufige Meinung. Doch ist es wirklich so einfach, die gesamte Verantwortung auf die jungen Vandalen zu schieben? Auch wenn die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen, stehen noch weitere Fragen im Raum: Warum wurde der Zustand der Station im Rathaus nicht rechtzeitig an die richtige Stellen kommuniziert? Warum hat niemand die Bevölkerung über die nicht mehr existente Barrierefreiheit in Kenntnis gesetzt und wo ist eigentlich die Polizei in dem Potpourri aus Scherben, Erbrochenem und Teenager-Wut, in das sich die einst ansehnliche Station verwandelt hat. Wahrscheinlich sind 75 Stufen auch für Polizeibeamte einfach zu viel.