Sängerin Rieke Katz hatte gemeinsam mit Musik-Partner Reiner Hilby auch neue, bisher unveröffentlichte Songs mit in die Nagolder Friedenskirche gebracht. Edeltraut Wegenast und Pastor Matthias Walter lasen aus dem Werk "Huren, Heuchler und Heilige", von dem Autor Uwe Birnstein der Nagolder Vesperkirche 200 Exemplare gespendet hatte. Fotos: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Soziales: Vesperkirche verwandelt eine Sachspende in einen bunten Abend voller Musik und geistreicher Perpektiv-Wechsel

Was macht man mit 200 geistreichen Büchern, die man für die 5. Nagolder Vesperkirche gespendet bekommen hat? Essen kann man sie nicht – gegen Essen tauschen auch eher nicht. Also bastelt man eine bunte Revue um dieses Büchlein. Und animiert damit das Publikum zu eigenen Spenden.

Nagold. So geschehen in der Nagolder Friedenskirche der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde (Emk). Eigentlich ein Ort eben für Gottesdienste – für Spiritualität, für Besinnung, Kontemplation. All das war diese "Musikalische Lesung", als die das Event angekündigt war, auch irgendwie. Aber auch sehr viel mehr. Eine geistliche Revue eben – mit Musik: jazzig, poppig – halt so, wie Rieke Katz ihre eigenen Songs unnachahmlich und richtig schön interpretiert. Aber auch liedermachermäßig, wie Musik-Partner Reiner Hilby seine nachdenklichen Texte vertont.

Das hinreißende Programm, das die beiden eingespielten Musiker boten, suchte und fand den "roten Faden", der den anderen Teil dieser Revue – die szenische Lesung – bedeutungsvoll und zum eigenen Nachdenken anregend zusammenband. Pastor Matthias Walter, seit Oktober erst Hausherr in der Nagolder Friedenskirche, und Edeltraud Wegenast, Laiendelegierte der Emk, nahmen sich dafür Texte aus eben jenem Büchlein vor, das in 200 Exemplaren der Nagolder Vesperkirche gespendet worden war – als Trostpflaster quasi dafür, dass die eigentlich für einen Besuch oder Vortrag zur Vesperkirche angefragte Margot Käsmann diesmal aus Termingründen absagen musste.

Bücher vom Autor Uwe Birnstein

Die Bücher stammen von Käsmanns persönlichem Referenten, dem Journalist und Autor Uwe Birnstein, der das Werk mit dem Titel "Huren, Heuchler und Heilige" gemeinsam mit der Sängerin Juliane Werding (größter Hit: "Der Tag als Conny Kramer starb") verfasst hatte. Die Besonderheit dieses Buches: es "interviewt" Persönlichkeiten der Bibel aus der Perspektive der Gegenwart. Und das irritiert beim Zuhören genauso wie es fasziniert. Und manchmal zwingt es auch einfach nur zum herzhaften Lachen.

Zum Beispiel, wenn die "Feministin" Eva über ihren Adam berichtet, der ihr "seit 6000 Jahren tierisch auf den Senkel" geht. Paradies? "Ja, toll – aber total öde!" Paradiesische Langeweile. Und der Adam – "das Weich-Ei", weil er sich vor Gott versteckte, als es heikel wurde – also aus dem Adam als Haushund "macht man keinen Wolf" mehr – auch wenn er das gleiche Fell hat. Da klingen einem wahrlich die Ohren. Eva: "Ich habe meinen Weg gefunden und stehe zu dem was ich getan habe – auch zu meinen Fehlern." Die Schlange, der Apfel – und so. Aber "was das alles mit Schuld und Sünde zu tun haben soll!?" Kein Schimmer.

Auf solche Weise interpretiert, wird Bibel auf einmal ziemlich lebendig. Lebensnah. Und lebensecht. Weg der Muff aus 2000 Jahren Exegese.

Was würde Marta als schwäbische Hausfrau heute über den Besuch von Jesus sagen – wenn sie denn zwischen Abwasch, Herrichten der Kaffeetafel und sonstiger Hausarbeit dazu käme, irgendetwas zu sagen? Zum Beispiel, dass sie keinen so guten Eindruck von Jesus hätte – der sich, ganz Macho, Macho, von vorne bis hinten von ihr bedienen ließ. Plappert los, ohne auf seine Gastgeberin zu warten, die das "wirklich unverschämt" von dem illustren Gast fand. Blasphemie? Mitnichten. Nur ein kluger Perspektiv-Wechsel, der den alten Texten eine völlig unerwartete, neue Wucht verleiht. Weil ein Jesus damit im eigenen Alltag ankommt – als Bild, als Metapher; auch als Mahnung: Man sollte vor lauter selbstauferlegter Pflicht den Moment niemals verpassen, wenn ein Jesus sich an den eigenen Küchentisch setzt.

Resümee: Was für ein ungewöhnlicher Gottesdienst im Grunde diese Versperkirchen-Revue doch war. Die – wie die Vesperkirche selbst – die Kirchenräume der verschiedenen Gemeinden in Nagold, in diesem Fall der evangelisch-methodistischen Kirche, durchlässig macht auch für jeweils Andersgläubige. Nicht das Trennende wird betont, sondern das Verbindende – das Leben an und für sich. Um daraus wie in diesem Fall etwas Neues zu gestalten – das die Menschen zu berühren weiß. Mitreißt. Auch zu reichlich Applaus für die Künstler und "Prediger". Aber vor allem zum Nachdenken: Was man aus 200 Büchlein alles machen kann.