Der Bronze-Ring und jede Menge Scherben sind bereits geborgen. Foto: Hofmann Quelle: Unbekannt

Nagold - Es müssen vergleichsweise friedliche Zeiten gewesen sein, damals, vor 2100 Jahren, als jene spätkeltische Siedlung auf Nagolds Rötenhöhe bewohnt war

Nagold - Es müssen vergleichsweise friedliche Zeiten gewesen sein, damals, vor 2100 Jahren, als jene spätkeltische Siedlung auf Nagolds Rötenhöhe bewohnt war. Höchstens ein Zaun, mehr hatten die Siedler dort nicht zum Schutz von Haus und Hof benötigt.

Im Gegensatz zu ihren Vorfahren, 300 Jahre früher, die den schwer zugänglichen, steilen aber eben sicheren Schlossberg als Siedelfläche gewählt hatten, zog es die Spätkelten um 100 vor Christus dorthin, wo auch ihre Felder waren. Eine Wahl, die so nur in sicheren Zeiten getroffen werden konnte.

"Es hat sich gelohnt", so lautet das Fazit von Günther Wieland. Mehrere Wochen lang waren die Ausgräber der Landesdenkmalpflege im Kernen am Werk. Dort, wo bereits im vergangenen Jahr unter anderem die Pfostenlöcher eines keltischen Hauses ausgegraben wurden, gingen die Untersuchungen nun weiter.

Fachleute graben mit Unterstützung von Ein-Euro-Jobbern

Jetzt gruben die Fachleute im größeren Stil – zum Teil übrigens mit Unterstützung von Ein-Euro-Jobbern. Dort, wo in Kürze die ersten Gebäude des Neubaugebiets "Am Rötenbad" entstehen werden, sicherten die Archäologen die Spuren der Alt-Nagolder Kelten – bevor die eh schon spärlichen Reste ganz den Neubauaktivitäten zum Opfer fallen werden.

Begehrte Siedelfläche war der Kernen in dieser Ecke wohl schon immer. Das Gebiet, das viele Jahre als Acker diente, gehört zu den fundintensivsten Flächen in Nagold: Nicht nur von keltischen Siedlern weiß man, es gab dort auch Bestattungen, viele Jahrhunderte früher, und am bekanntesten sind die Grabungen am unteren Teil des Hangs an einem römischen Gutshof.

Diese Verbindung zwischen der keltischen Siedlung und dem römischen Gutshof ist es denn auch, die Günther Wieland besonders spannend findet. Wer lebte hierzulande, bevor die Römer kamen? Von der These, dass alle Kelten sich aufgemacht hatten, in Richtung heutiger Schweiz und hier keine Menschenseele mehr lebte, hält der Fachmann wenig.

Wer lebte hierzulande, bevor die Römer kamen?

Einige einfache Bauern werden wohl auch weiter ihr Land beackert haben. Und so liegt eine kleine Sensation am Nagolder Fund in der Datierung: Fast nahtlos gehen keltischer Hof und römischen Gutshof ineinander über. "Jetzt haben wir einen Vorgänger für den römischen Gutshof", erzählt Wieland. Landesweit sei das einmalig.

Doch auch für die Nagolder Ortsgeschichte ist die frisch gefundene Siedlung ein Gewinn: Ein bis dato klaffendes Loch in der Nagolder Siedelgeschichte ist damit geschlossen. Besonders schön: Der wertvollste Fund, den die Nagolder Keltenforschung zu bieten hat – das so genannte Regenbogenschüsselchen – bekommt damit erstmals auch eine zeitlich passende Siedlung zur Seite gestellt.

"Gefunden bei Nagold, mehr wissen wir über das Schüsselchen eigentlich nicht", sagt Wieland. Doch die Kelten, die hier am Kernen lebten, stammen aus der selben Zeit. Wurde die Münze womöglich gar auch hier gefunden?

Ein typisch spätkeltischer Bau stand dort

Zum Abschluss der Grabung präsentiert Wieland in einem Gespräch mit Nagolds Oberbürgermeister Jürgen Großmann die ersten Fakten: Zehn auf zehn Meter groß war das Haupthaus. Teile der Wände zeichnen sich noch im Boden ab, hinzu kommen mehrere große Pfostenlöcher – auch von Nebengebäuden.

Ein typisch spätkeltischer Bau sei dort gestanden, mit zwei Eingängen, und nicht auszuschließen sei, dass auch noch weitere Häuser dort am begehrten Nagolder Südhang gestanden haben. Nur finden kann man sie nicht mehr. Über Jahre wurde der Hang durch die landwirtschaftliche Nutzung abgegraben.

Nur der elektromagnetischen Untersuchung des Gebiets ist es zu verdanken, dass man wusste, wo es sich lohnt zu graben. Dass überhaupt noch etwas aus jener Zeit gefunden wurde, ist der Bequemlichkeit der keltischen Hausbewohner zu verdanken. "Die wollten einen ebenen Siedelgrund", erzählt Wieland. Sie gruben sich also eine ebene Terrasse in den Hang. Nur so konnten die Hausspuren 2100 Jahre überdauern.

Große materielle Schätze freilich sucht man unter den Funden vergebens. Einen filigranen Fingerring aus Bronze hat man gefunden, auch eine dünne Fibel – eine Art keltische Sicherheitsnadel. Ansonsten handelt es sich bei den Funden um Zivilisationsschrott: kaputte Scherben von Töpfen und Schüsseln oder auch verschiedene Knochen von Tieren, die verzehrt wurden – ein Wildschwein darunter. Asterix und Obelix lassen grüßen.

"Das war das Kochgeschirr", verweist Wieland auf eine besonders dunkle Scherbe. Aus Niederbayern bei Passau stammten jene Kochtöpfe. Ein "made in Bavaria" sucht der Laie freilich vergebens auf der Graphit-Scherbe. Wieland braucht das auch nicht. Er kann die Scherben lesen. Scherben sind für ihn die wahren Schätze solch einer Ausgrabung. Und im Kernen gab es einige davon.

Von Heiko Hofmann