Sigi Zimmerschied inmitten seines Publikums. Foto: Stadler Foto: Schwarzwälder-Bote

Kleinkunst: Sigi Zimmerschied ist in der Alten Seminarturnhalle im Versöhnungskoller mit seinen Feindbildern

Nagold. Der bayerische Kabarettist Sigi Zimmerschied stand zum ersten Mal auf der Bühne der Seminarturnhalle. Mit dialektischer Wortgewalt rechnete er mit der Idiotisierung der Menschheit ab.

Seit mehr als 30 Jahren gilt Sigi Zimmerschied in Bayern als eine Kabarett- und Schauspielinstanz. Er sang zu Beginn seines Auftritts heiter und gutgelaunt "Froh zu sein bedarf es wenig, denn wer froh ist, ist ein König". In unauffälliger schwarzer Hose mit ebensolchem Sweatshirt betrat er die Bühne, um sogleich seinem Publikum den Rücken zuzuwenden und vor dem ebenfalls schwarzen hinteren Bühnenvorhang mit stilisiertem Blick nach draußen den Fluss Inn zu preisen. Noch war es ruhig, die automatische Ansage des Passauer Wasserpegels verhieß gleichbleibende bis fallende Wasserstände. Doch das sollte sich sehr schnell ändern.

Nachdem er klar gemacht hatte, dass das Alphabet 26 Optionen gegen die Einsamkeit bietet, nannte er den in einer WG lebenden Passauer Weihbischof mit dem hellen Vokal "i" einen "libritzindin Wihbischiff" und ließ im weiteren Verlauf des Abends keinen Zweifel daran, dass es durchaus reizvoll für einen Geistlichen sein kann, mit einer jungen und einer alten Nonne sowie einem Mitbruder unter einem Dach zu leben.

Der Kabarettist machte mit einer brachialen Wortgewalt deutlich, dass er seine Feindbilder allesamt satt hat, sie sogar mag und sich in einem regelrechten Versöhnungskoller befindet. Und währenddessen schwillt der Fluss Inn so ganz allmählich an und die automatischen Ansagen des Passauer Hochwasserpegels meldeten steigende Wasserstände, gegen die dringend etwas unternommen werden müsste.

Er schilderte seine illustre Familie, die aus einem lesbischen Paar namens Angelika und "dem" Gabi besteht, mit einem auffälligen Adoptivsohn namens Nelson Elton Maria und einem an Inkontinenz leidenden rumänischen Straßenhund namens Caligula.

Mit dem Namen Nelson Elton Maria treffen für Zimmerschied Freiheitskampf, Candle in the Wind und katholische Kirche zusammen – und die Wasserstände steigen stetig, während er von der Bühne herabstieg, um inmitten des Publikums zu klären, wer sich hinter welchem Handy-Typ verbirgt. Mit dem App-Indikator analysierte er den Typus Mensch, der fast keine Apps auf dem Smartphone installiert hat und noch als Mensch durchgeht, bis hin zu den Deppen, die mit 30 und noch viel mehr Apps, nicht mal mehr grünen Ampeln trauen.

Mit dem Steigen des Pegels in Passau und der Gefahr der Überflutung nicht nur durch Wasser, steigerte sich auch die Erregung bei Zimmerschied in einer nicht enden wollenden Themenflut, die die Menschheit beschäftigt, egal ob traumatisierte Flüchtlinge, seine lesbische Tochter, die katholische Kirche und – wie kann es anders sein – Österreicher. Schlimm war für ihn auch, dass keiner hilft beim Schutz gegen das Hochwasser.

Er tänzelte zu Anfang noch über die Bühne, wurde aber mit zunehmender Dauer polternder, mal sehr laut, um danach wieder fast lautlos oder tränenvergießend seine dialektischen Verbalsalven auf das Publikum abzuschießen. Zu passenden Grimassen rechnete er ab mit der Verblödung der Menschheit und den Zentrifugalkräften des Lebens, denen jeder durch ein ständiges Auf und Ab ausgeliefert ist.

Zimmerschied gibt sich zum Ende versöhnlich

Radikal rasant ließ er dem aufmerksamen Publikum wenig Zeit zum Lachen, schwang sich wie ein wildes Tier schonungslos von einer Sauerei zur anderen, hechelte durch die Reizthemen unserer Zeit und war dabei treffsicher böse in seinem Witz, bis die erlösende Ansage vom automatischen Anrufbeantworter des Passauer Pegelstandes ein Sinken der Wassermassen verkündete. Die Gefahr des Weggespültwerdens war gebannt und der Hochwassermonolog beendet. Zimmerschied gab sich zum Ende hin versöhnlich und wird auch seine Verwandtschaft wieder zum traditionellen Weihnachtsessen einladen...

Zum zweiten Mal sang er "Froh zu sein…" und untermalte damit seinen Abgang von der Bühne, den das Bistro-Abend-Publikum mit anerkennendem Applaus quittierte.