Das Wandelkonzert brachte die Plätze zum Klingen. Foto: Bernklau

Plätze haben ihre eigenen Töne: Junge Begabte der Sommermusik ziehen von Station zu Station durch klingendes Nagold.

Nagold - Auch Plätze haben ihre ganz eigene Akustik. Als die Nagolder Innenstadt beim Wandelkonzert im Rahmen der Sommermusik zum Klingen gebracht wurde, hörte man das. Das Wetter hielt gegen alle Voraussagen, und bestimmt 200 Musikfreunde zogen hinter dem blauen Violinschlüssel von Fremdenführer Walter Pfohl her.

Mit 95 jungen Musikern der sommerlichen Kurse samt ihren renommierten, teils sogar über die Spezialisten der Musikwelt hinaus berühmten Dozenten und den Begleitern gingen die Teilnehmerzahlen auch schon fast in die Hunderte. Neben dem Unterricht, dem Üben und dem gemeinsamen Ensemblespiel gehören auch Konzerte und öffentliche Auftritte zum Charme und Flair dieses Festivals. Nach den Altensteiger Anfängen ist es heuer seine 27. Ausgabe im Oberen Nagoldtal.

Start und Ziel der musikalischen Promenade mit neun Stationen war in der Stadtkirche. Deren Akustik erwies sich – trotz voll besetzter Bänke im Hauptschiff – mit ihrem langen Nachhall als fast zu stark für die teils zarte Kammermusik der Streicher. Roman Kuryliv leitete da so charmante wie versierte Orchester der Acht- bis Zwölfjährigen, bei dem die Mädchen übrigens die übergroße Mehrheit stellen.

Walter Pfohl, aktiver Dirigent und langjährig für die Musik zuständiger Direktor im Kulturministerium des Landes, wies auf die ukrainische Herkunft des Schweizer Violinisten hin und verband die völkerverbindende Wirkung der Musik mit einem leisen Friedenswunsch für die Kriegsregion im umkämpften Donbass. Das Orchester spielte Vivaldi und Haydn. Zwischendurch bot die neunjährige Clara Shen mit großer Innigkeit zwei Sätze aus Bachs Partita d-Moll für Violine allein.

Auf den Stufen vor dem Kubus traten als Cello-Duo Mutter und Tochter Eulàlia Nosàs und Nuria Comorera (14) mit Luigi Boccherini auf -– und waren gut zu hören. Die Vogtei, frühere Kelter, mit ihrem vollbesetzten Eiscafé davor, machte den St. Petersburger Violinduos von Alina Mallale und Svetlana Koknaeva sowie Natalia Zernova und Angelina Saitfudina schon etwas mehr Mühe, sich mit ihren feinen Tönen gegen den geschäftigen Sonntagslärm durchzusetzen.

Auch vor dem Rathaus, wo Cicerone Walter Pfohl etwas zugespitzt auf den Brunnen mit der "potthässlichen", aber klugen und wohltätigen Urschel hinwies und Hausherr Jürgen Großmann eigens als Förderer begrüßte, kamen die Streichduo-Töne von Mozarts Zauberflöten-Vogelfänger und auch von einem Telemann-Konzert des Orchesters kaum durchsetzungsstark an gegen den Rausch-Pegel der schlendernden Sonntags-Passanten.

Seltsamerweise wurde es am nicht weniger quirlig belebten Longwy-Platz etwas besser. Ein Cello-Duo mit dem "Schwan" aus dem Karneval der Tiere von Camille Saint-Saëns kam ebenso gut durch wie der 13-jährige Simon Zhu aus Berlin mit seiner halsbrecherischen Paganini-Caprice. Dort am Flussufer stellte auch Fotograf Christophe Starck seine Bilder "Natur und Kultur" vor.

Die Cellistinnen von Helmar Stiehle boten vor dem Oberamt ein Potpourri zwischen dem Choral "Nun danket alle Gott", einer Händel-Sarabande und dem kecken Bel-ami-Operettenschlager von Theo Mackeben. Oben im Fenster der dortigen Wache klatschte sogar die diensthabende Polizistin begeistert mit. Auch vor dem Fachwerkhaus Maisch war die Akustik erstaunlich tragfähig. Dort bot die Meisterklasse von Reiko Oberhummer ein Telemann-Konzert für vier Violinen.

Eine richtige Arena mit tollem Sound war schließlich der Gerichtsplatz, wo ein junges Streicherensemble von Benjamin Bergmann eine sehr dynamische Mozart-Kirchensonate erklingen ließ. In die Kirche ging es dann auch wieder zurück, allerdings mit zirzensischer Virtuosen-Musik von Pablo de Sarasate und Fritz Kreisler. Es glänzten mit ihren atemberaubenden Violinkünsten Marina Komarova und Miha Zhu. Der Lette Peter Wittenberg, Korrepetitor am Mozarteum in Salzburg, leitete schließlich die umjubelte Orchesterfassung von zwei Sätzen des ersten Schubert-Streichquartetts.

Draußen vor der Kirchentür hatte sich der Himmel schon recht dunkel für die – entgegen den Wetterprognosen huldvoll aufgesparten – Abendgewitter zusammengebraut.
Das Wandelkonzert brachte die Plätze zum Klingen. Foto: Bernklau