Rettungsmannschaften suchen weiter fieberhaft nach Überlebenden unter den fast 300 Vermissten vor der Küste Südkoreas. Foto: dpa

Fast 300 Menschen gelten nach dem Fährunglück vor der Küste Südkoreas noch als vermisst. Es wird befürchtet, dass sie im Schiffsrumpf eingeschlossen wurden. Schwere Vorwürfe erheben die Überlebenden gegen den Kapitän.

Fast 300 Menschen gelten nach dem Fährunglück vor der Küste Südkoreas noch als vermisst. Es wird befürchtet, dass sie im Schiffsrumpf eingeschlossen wurden. Schwere Vorwürfe erheben die Überlebenden gegen den Kapitän.

Seoul - Kapitän und Besatzung der Unglücksfähre von Südkorea sind in die Kritik geraten. Überlebende beklagten, es hätten mehr Passagiere gerettet werden können, wenn das havarierte Schiff früher evakuiert worden wäre. Unterdessen behinderten hohe Wellen, starke Strömung und trübes Wasser die Suche nach fast 300 Vermissten des Fährunglücks. Die Hoffnung, nach dem Kentern des Schiffes am Mittwoch noch Überlebende zu finden, schwand mit jeder Stunde.

Die Küstenwache befürchtete, dass im Rumpf der „Sewol“ noch 287 Reisende eingeschlossen sind. Mehr als 300 der rund 470 Passagiere waren Oberschüler auf einem Ausflug.

"Bleiben sie, wo sie sind"

Nur eines von 46 Rettungsbooten wurde nach Medienberichten zu Wasser gelassen. Die Passagiere seien zudem aufgefordert worden, sich nicht von der Stelle zu bewegen oder in ihren Kabinen zu bleiben. „Bleiben sie, wo sie sind. Wenn sie sich wegbewegen, könnte es gefährlicher werden“, wurden Durchsagen zitiert. Als das Schiff sank, war es wohl zu spät. „Viele meiner Freunde konnten keine Rettungswesten mehr anlegen, weil das Wasser zu schnell hereinströmte“, sagte der Oberschüler Lee Da Woon der Zeitung „JoongAng Daily“.

In die Trauer und Verzweiflung der Angehörigen mischte sich Wut über verwirrende Angaben der Behörden und die Reaktion der Besatzung. Der Kapitän bedauerte das Unglück: „Mir tut es um die Passagiere und die Familien der Vermissten leid.“ Nach unbestätigten Berichten soll der Kapitän einer der ersten gewesen sein, der das sinkende Schiff verließ. Ihm drohe eine Ermittlung wegen Fahrlässigkeit, hieß es. Ein Sprecher der Küstenwache wollte das aber nicht bestätigen.

Die Polizei bestritt Berichte, wonach Eingeschlossene noch Textnachrichten aus dem Rumpf des Schiffes gesendet hätten, wie die Nachrichtenagentur Yonhap berichtete. Bei den zitierten SMS wie „Ich fürchte, wir müssen alle sterben“ handele sich um Fälschungen.

Unglücksursache unklar

Die Ursache des Unglücks war am Donnerstag unklar. Aussagen von Besatzungsmitgliedern ließen vermuten, dass eine plötzliche Kursänderung vor der Insel Chindo zu der Katastrophe geführt haben könnte. Möglich ist auch, dass die Auto- und Personenfähre auf einen Felsen auflief. Überlebende hatten von einem großen Knall vor dem Sinken des Schiffes gesprochen. Untersucht wurde auch, ob das Schiff von der vorgesehenen Route abgewichen sei.

Taucher versuchten am Donnerstag zehnmal vergeblich, in den Rumpf des Schiffes vorzudringen. Die Tauchmanöver wurden am frühen Nachmittag wegen schlechten Wetters abgebrochen und erst am Abend (Ortszeit) wieder aufgenommen. Mehr als 500 Taucher standen zum Einsatz bereit. 169 Schiffe und 29 Flugzeuge waren im Einsatz. Fast 180 Menschen konnten gerettet werden. Es dürfte das schlimmste Schiffsunglück in Südkorea seit zwei Jahrzehnten sein.

Kaum mehr Hoffnung auf Überlebende

Die Zahl der bestätigten Toten stieg nach Angaben des Krisenstabs der Regierung auf 14. Doch die Chancen für die Vermissten schwanden: Bei einer Wassertemperatur von zwölf Grad könnten Menschen im Wasser höchsten zwei bis drei Stunden aushalten, bevor die Unterkühlung einsetze, sagte ein Experte dem staatlichen Sender Arirang. Und um in dem Wrack überleben zu können, müsse man eine Luftblase finden. Allerdings sinke der Sauerstoffgehalt.

Die Empörung der verzweifelten Familien bekam Südkoreas Staatspräsidentin Park Geun Hye zu spüren, als sie die Unglücksstelle und Familien der Vermissten besuchte. Verärgerte Verwandte riefen und schrien, während sie eine kurze Ansprache hielt, berichtete Yonhap. Angesichts des kalten Wassers sei „jede Minute kritisch, falls es Überlebende gibt“, sagte Park. „Es ist verstörend, dass die Bergungsarbeiten nicht schnell genug voranschreiten, obwohl soviel Kräfte und Ausrüstung eingesetzt werden.“

325 Teenager einer Oberschule aus einer Vorstadt von Seoul waren zusammen mit Lehrern auf dem Weg von der westlichen Küstenstadt Inchon zur südlichen Ferieninsel Cheju, als das Schiff am Mittwochmorgen in Seenot geriet und einen Notruf absetzte. Etwa zwei Stunden später sank die Fähre mit mehreren Decks fast komplett.

Nur noch der Bugwulst ragt aus dem Wasser hervor. Dies sei damit zu erklären, dass das Wasser an der Stelle nur etwa 30 bis 40 Meter tief und die Fähre mehr als 140 Meter lang sei, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Kräne würden in den nächsten Tagen zur Unglücksstelle gebracht, um das Wrack zu heben.