Beitragssteigerungen in der Privaten Krankenversicherung lassen viele Betroffene über einen Tarifwechsel nachdenken. Aber es ist nicht leicht, den Durchblick zu behalten. Foto: dpa

Angesichts der drohenden Beitragserhöhungen bei der privaten Krankenversicherung weisen Verbraucherschützer auf Wechselmöglichkeiten hin. Die Branche wehrt sich unterdessen gegen Vorwürfe, Wechselwillige hinzuhalten.

Berlin - Die Beiträge in der Privaten Krankenversicherung werden bekanntlich für rund zwei Drittel der fast neun Millionen dort Versicherten demnächst drastisch erhöht – im Schnitt zwischen elf und zwölf Prozent. Bis Anfang November werden die meisten Betroffenen die entsprechende Post im Briefkasten haben. Zwar ist Kassenwechsel für Privatversicherte wegen des Problems der Altersrückstellungen kaum möglich. Aber das heißt nicht, dass sie die Erhöhungen einfach erdulden und hinnehmen müssen. In der Branche stellt man sich darauf ein, dass Kunden verstärkt nach für sie sinnvollen Möglichkeiten suchen, in einen anderen Tarif desselben Versicherers zu wechseln.

Rechtliche Grundlage ist dafür der §204 des Versicherungsvertragsgesetzes. Er regelt den Anspruch des Kunden, jederzeit in einen Tarif seines jeweiligen Versicherungsunternehmens wechseln zu können. Die bis dahin erworbenen Rechte und Altersrückstellungen werden mitgenommen. Das Wechselrecht gilt dabei auch für Tarife, die für Neukunden bereits geschlossen sind. Wenn die Leistungen im angestrebten Tarif besser als im vorherigen Tarif sind, kann das Unternehmen einen Risikozuschlag oder einen Mehrleistungsausschluss verlangen. Kunden sollten auch den §6 des Gesetzes kennen. Er verpflichtet den Versicherer zu einer laufenden Beratung, auch nach Vertragsabschluss. Wichtig ist: Bei Versicherten, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, ist der Versicherer verpflichtet, auf Tarife hinzuweisen, „die einen gleichartigen Versicherungsschutz wie die bisher vereinbarten Tarife bieten und bei denen eine Umstufung zu einer Prämienreduzierung führen würde“. Tatsächlich heißt der Wechsel in günstigere Tarife durchaus nicht unbedingt eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes.

In der Vergangenheit hatten privat Versicherte allerdings durchaus nicht immer gute Erfahrungen mit ihren Anbietern gemacht, wenn es um Wechselwünsche ging. Sie spielten oft auf Zeit oder verkomplizierten die Angelegenheit, weil sie kein Interesse daran haben, wenn sich in den Tarifen Veränderungen der Risikomischung ergeben. Inzwischen hat die Branche mit der Verabschiedung von Leitlinien reagiert, die seit Beginn des Jahres gelten. Sie gehen über das geltende Recht hinaus. So sollen die Versicherten bei Beitragsanpassungen bereits ab dem 55. Lebensjahr konkrete Tarifalternativen erhalten. Anfragen von Wechselwilligen sollen innerhalb von 15 Arbeitstagen beantwortet werden. Nach Auskunft des Spitzenverbandes sind bisher „Unternehmen mit einem Marktanteil von mehr als 80 Prozent der Versicherten den Leitlinien beigetreten.“ Der eine oder andere bekannte Name, wie „Central“ oder „Continental“, sind allerdings nicht dabei.

Leitlinien sind „letztlich ein Lippenbekenntnis“

Ist das mehr als eine Maßnahme zur Verbesserung des Image? Die Verbraucherschützer glauben nicht so recht daran. „Unsere ersten Erfahrungen mit den Leitlinien sind, dass die Versicherer auf Anfragen tatsächlich schneller reagieren“, sagt Elke Weidenbach, Referentin für Versicherungen bei der Verbraucherzentrale NRW, „aber durchaus nicht immer das für den Kunden beste Angebot unterbreiten.“ Allerdings gebe es noch keine gesicherte Statistik. Sie nennt die Leitlinien „letztlich ein Lippenbekenntnis“. Lars Gatschke, der Versicherungsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Durch die Leitlinien sei „nichts besser, und nichts schlechter geworden“. Fälle von hinhaltendem Widerstand der Versicherer seien zwar „kein Massenphänomen“, schlügen aber immer wieder bei den Verbraucherschützern auf.

Für die Versicherten ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten, wenn ein Versicherer eine Vielzahl konkurrierender Tarife anbietet. Verbraucherschützer empfehlen deshalb, sich beraten zu lassen, etwa bei den Verbraucherzentralen. „Größte Skepsis“ sei aber bei Internet-Angeboten angebracht, heißt es beim Bundesverband er Verbraucherzentrale. Es gibt auch unabhängige Versicherungsberater. Nicola Ferrarese hat sich mit seiner Firma „Minerva-Kundenrechte“ auf Tarifwechselberatung spezialisiert. Er spricht von einer „heilen Welt“, die durch die Leitlinien nur vorgespiegelt werden. Der Kunde wolle wissen, welcher Tarif bei gleichwertigen Leistungen beitragsstabiler ist. „Genau dies reflektiert der Versicherer aber nicht für den Kunden“, sagt er. Ferrarese verdient sein Geld damit, Versicherten zu besseren Tarifen zu verhelfen, hat also auch wirtschaftliche Interessen. Aber die Verbraucherschützer widersprechen ihm da keineswegs.