Immer öfter werden im Einzelhandel beide Kanäle genutzt: stationär und online. Das gilt besonders für beratungsintensive Produkte.  

Der Online-Handel boomt. Doch vor allem bei beratungsintensiven und teuren Sortimenten, bei denen sich Reparaturen oder professionelle Wartung lohnen, reicht es nicht, online präsent zu sein. Kunden, die auf guten Service vor Ort Wert legen, ziehen Online-Händler vor, die ein Ladengeschäft in der Nähe haben. Bis zum Jahr 2015 soll der Umsatz sogenannter Multichannel-Händler auf 17 Prozent des gesamten Handelsumsatzes steigen. Ihre Mitarbeiter müssen flexibel sein. 60 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet Thomas Hofmeister online. Im Internet hatten er und seine Frau, eine diplomierte Betriebswirtin und Erlebnispädagogin, ihr Outdoor-Angebot 2009 gestartet. Ein Jahr später folgte das Ausrüstungshaus Naturzeit in der Ludwigsburger Fußgängerzone.

'Es gibt Produkte, zu denen wir lieber persönlich beraten', sagt der 48-Jährige. So hat er beispielsweise Mountainbikes im Programm, die im Ludwigsburger Laden ausprobiert und angepasst werden können. Auch die Wartungsarbeiten führt Naturzeit durch. 'Unser Konzept ist, Menschen für das Leben unter freiem Himmel zu begeistern und für alles rundherum zu sorgen', erklärt Hofmeister das breite Angebot, das vom Equipment über die Beratung bis zu Kursen und Touren geht. Der Diplom-Kaufmann setzt dabei auf Mitarbeiter, die nicht nur Können, sondern auch Begeisterung für Aktivitäten im Freien einbringen. Eine Handelsausbildung müssen sie nicht unbedingt haben: 'Eine unserer Verkäuferinnen ist Friseurin', erzählt der Naturbegeisterte.

Probleme, motiviertes und kenntnisreiches Personal zu finden, hat er nicht

'Wir finanzieren ihr derzeit einen Lehrgang in textiler Warenkunde.' Zukünftig wird sie ihr Wissen sowohl im Ausstattungshaus als auch in der Online- und Telefonberatung einbringen. Nicht nur die sportbegeisterte Friseurin findet Arbeit bei Naturzeit. Ein IT-affiner Sportwissenschaftler kümmert sich ums Online-Marketing und sorgt für die Suchmaschinenoptimierung und Vernetzung des Internetshops. Auch wenn Ausstattungshaus und Online-Shop dieselbe Stammdatenbank füttern und nutzen: Hofmeister weiß, dass beide Kanäle mit unterschiedlichen Marketinginstrumenten bespielt werden müssen. Probleme, motiviertes und kenntnisreiches Personal zu finden, hat er nicht: 'Unser Team ist durch persönliche Kontakte und Blindbewerbungen zusammengekommen, eine Anzeige musste ich bisher nicht schalten.' Jeder Mitarbeiter kann jährlich an zwei bis drei der Erlebnistouren, die Naturzeit anbietet, teilnehmen.

Die Verkäufer erfahren so ganz nah am Kunden, was der sich wünscht. Diese Erfahrung nutzen sie in der Verantwortung für spezifische Sortimentsbereiche, in denen sie besonders fit sind - und in denen sie jeweils von den Lieferanten geschult werden, um die neuesten Produktentwicklungen erklären zu können. Die Verantwortung für Teile des Sortiments erleichtert den Naturzeit-Mitarbeitern nicht nur die Beratung in ihrem Spezialgebiet, sondern steht auch für die Wertschätzung des Inhaberpaars. Dieses Jahr bildet Hofmeister seinen ersten Bürokaufmann aus: 'Ein junger Mann mit Schulabschluss, der in unserer Packstation über Monate hinweg Fleiß und Lernbereitschaft gezeigt hat.' Ohne Fleiß und Lernbereitschaft geht es auch bei Mike Kutzner nicht. Unter dem Namen hair-games betreibt der begeisterte Friseur drei Salons in der Stuttgarter Innenstadt. Viele seiner Kunden kaufen die Pflegeprodukte, die Kutzner verwendet.

'Wir sind von der Entwicklung überrannt worden'

Weil die Umsätze in den Salons ihm günstige Einkaufskonditionen für die Fachhandelsprodukte verschaffen, kam ihm irgendwann die Idee mit dem Online-Shop. 'Preislich können wir mit viel größeren Anbietern mithalten.' Den Internetshop hat der Haar-Spezialist zusammen mit einem befreundeten EDV-Experten aufgebaut, der freiberuflich für ihn arbeitet. 95 Prozent seines Handelsumsatzes macht der 44-Jährige mittlerweile über den hair-games-Shop im Internet. 'Wir sind von der Entwicklung überrannt worden', bekennt er. Im Lager geht es eng zu - 1000 Sendungen wöchentlich brauchen Platz. Drei bis vier Packkräfte arbeiten dort stundenweise an zwei Packtischen. Je nach Auslastung in den Salons springen auch Friseure im Shop-Bereich ein. 'Die Online-Kunden schätzen deren Fachkenntnisse bei Rückfragen genauso wie unsere Salonkunden.' Um Einkauf und Buchhaltung kümmert sich eine vor kurzem eingestellte Betriebswirtin, die gleich mit der Einführung eines Warenwirtschaftssystems beauftragt wurde.

Im Shop setzt der Haarprofi auf Paypal oder Sofortüberweisung als Zahlungsweg: 'Bei Bons von 20 bis 30 Euro pro Bestellung lohnt sich kein Mahnwesen.' Noch kümmert der hair-games-Inhaber sich selbst um die Werbung. Jedem Paket, das aus dem Haus geht, liegt ein Flyer bei, in dem die dreimonatigen Sonderaktionen beworben werden. Als regionaler Handwerker setzt er zudem auf Inserate in Zeitungen. Dennoch kommen Bestellungen aus der ganzen Welt: 'Nur nach Afrika haben wir noch nichts geschickt.' Mit der Erweiterung seiner Salons um einen Online-Shop besetzt Kutzner eine Nische, in der er die Konkurrenz als überschaubar bezeichnet. Denn nur Friseure können die speziellen Produkte beziehen, die er online anbietet. 'Ohne meine Salons wäre der Shop nicht möglich gewesen.' Die Neuorientierung beschert dem Friseurmeister Arbeitswochen von 60 Stunden. Ein Einsatz, den er gerne bringt, weil er es 'total spannend' findet, wie sich seine Idee entwickelt.