Mrs. Nana, die kolossale Diva des Abends, ist 2,35 Meter groß Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Eine kollosale Diva, tanzende Terrier, Boxkämpfe in Zeitlupe und eine Schlangenfrau, die ihre Wirbelsäule an den Teufel verkauft haben muss: Im Friedrichsbauvarieté hat die Show „Mrs. Nana’s Gallery“ Premiere gefeiert.

Stuttgart - Die Nanai, ein kleines, indigenes Volk Ostsibiriens, haben eine alte Gauklertradition: die Nanaischen Spiele. Puppenspieler schlüpfen mit Armen und Beinen in die Figuren, allerdings durchaus auch mal so, dass die Hände des Spielers zu den Füßen der Puppe werden. Gordon Leif hat sich dieser Form des Figurentheaters verschrieben und Charaktere wie „Prof. Dr. Dr. Habmichlieb“ und „Kommissar Erwin Duckdich“ erfunden. Und eben auch die Adelsdame Mrs. Nana: 2,35 Meter groß, grünes Kleid, rosafarbener Samt an den Händen, Plateauschuhe, Körbchengröße Vierfach-V (geschätzt). Um diese kolossale Diva dreht sich seit Freitag die neue Show im Friedrichsbau Varieté: „Mrs. Nana’s Gallery“.

Friedrich Fusel Wunderbrecher klaut Eheringe

Der Auftakt ist allerdings alles andere als gigantisch, die ersten Einlagen sind zum Vergessen. Ralph Suns Regiearbeit empfängt den Zuschauer im Reich der Riesin: Manche Darbietungen kommen als fleischgewordene Erinnerungen der Mrs Nana daher, andere spielen in der Gegenwart, in der Nana ihren gestohlen geglaubten Schmuck sucht – und den Erzählfaden verliert. Doch der Geduldige wird belohnt. Spätestens wenn Magier Ully Loup übernimmt: Er mimt den schnäpselnden Friedrich Fusel Wunderbecher, luchst Gattinnen im Publikum die Eheringe ab und hängt selbige – wie auch immer – ineinander: „Ich frage mich, wie diese drei Frauen nachher nach Hause kommen wollen!“, denkt er laut. Die Japanerin Emiria Snyman überzeugt mit Kontorsion – diese Schlangenfrau scheint ihre Wirbelsäule irgendwann mal an den Teufel verkauft zu haben.

Gordon Leif lässt die Puppen tanzen

Noch vor der Pause begeistern Rodrique Funke und seine Foxterrierdame Lulu selbst jene, die Hunden eher misstrauisch gegenüberstehen: Wenn Lulu synchron zu Funke swingt, also die rechte und linke Vorderpfote hebt und später mit ihm seilspringt, dann will man sich sofort so ein Tier ins Haus holen. Nachhaltig beeindrucken kann Gordon Leif mit einer Puppenpaartanz-Choreografie, bei der er beide Parteien steuert: Mit den Armen kontrolliert er die Beine eines Puppenherren, die eigenen Stelzen sind jene der Dame und die zugehörigen Oberkörper hat er sich auch noch auf den Leib geschnallt. Dies führt zu kuriosen Schrittfolgen, zu ungleichen Partnern, die einander in die Lüfte heben und umherwirbeln. Dass seine Mrs. Nana mit wortspielreichen, aber ermattenden Geschichten von Hüten und vom Behüten nur eine mäßige Conférencière abgibt, lässt sich da verschmerzen.

Jonglage-Shooting-Star Stanislav Vysotsky beeindruckt

Skurrilität, wie sie das Varieté zeigen kann und soll, bietet eher die zweite Hälfte: Da galoppiert ein recht menschlicher, alter, lahmer, blinder und tauber Gaul durch den Saal, liefert sich das Berliner Duo Edd und Lefou (Steffen Lemke und Nils Hellmuth-Truchseß) einen Boxkampf in Zeitlupe, verwandelt sich die französische Zauberin Gwenaelle sich selbst in einen Schmetterling und Ully Loup Wasser in Pfefferminzlikör. Der 1983 geborene Stanislav Vysotskyi bestätigt zudem seinen Ruf als Shooting-Star der Jonglage: Mit gefesselten Handgelenken lässt er die Bälle vom Fußrücken nach oben schnellen, von den Wangen auf die Schulter tropfen und rotiert dabei auch noch flink um die eigene Körperachse.

So lohnt der Besuch von „Mrs Nana’s Gallery“ am Ende also doch – man muss die ersten Minuten nur irgendwie totschlagen.

Bis 17. Juni im Friedrichsbau Varieté