Ulrike Barthruff assistiert als Sekretärin dem Filmproduzenten David O. Selznick, von Michael Hiller brillant interpretiert Foto: Sabine Haymann

Mit „Mondlicht und Magnolien“ kam am Donnerstag eine komödiantische Entstehungsgeschichte zu den Dreharbeiten des Bürgerkriegsepos „Vom Winde verweht“ auf die Bühne des Alten Schauspielhauses. Dieser Zoff hinter den Kulissen ist amüsant.

Stuttgart - Erdnussschalen knacken unter den weißbraunen Glattlederslippern des schwitzenden Produzenten David O. Selznick (Michael Hiller). Zerknülltes oder zerrissenes Schreibmaschinenpapier ziert seinen beinahe bühnenbreiten Schreibtisch, hinter dem weite Fenster Ausblick auf Palmen und eine klare Nacht in Hollywood schenken. Im Eck lungert das drehbuchschreibende Genie Ben Hecht (Harald Pilar von Pilchau) und tippt mit schmerzenden, weil wunden Fingerkuppen.

Nie las er den zu verfilmenden Bestseller „Vom Winde verweht“. Hecht hat jetzt aber die Aufgabe, aus dem mehr als 1000 Seiten starken Roman von Margaret Mitchell eine kinotaugliche Fassung zu basteln. Und die soll der dünkelhafte Regisseur Victor Fleming (Stefan Kiefer) inszenieren. Dieser jedoch kauert am Rande des Nervenzusammenbruchs auf der Bibliotheksleiter am Bücherregal und betastet sein verletztes Auge, dessen Blutgefäße dem Stress unterlagen.

Selznick hat, nachdem er sein eigentliches Team entlassen hatte, keine Wahl: Die Zeit drängt, er muss sich mit den beiden Neuen in seinem Büro einschließen lassen. Seit Tagen ernährt sich das Trio von Bananen, die Extremsituation befeuert den Disput unter den ungleichen Kollegen.

So entstand also das kommerziell erfolgreichste Werk der Filmgeschichte. Der Nordire Ron Hutchinson erzählt in „Mondlicht und Magnolien“ von dem chaotischen Vorspiel zu den Dreharbeiten von „Vom Winde verweht“. François Camus bringt die exaltierte, doch auf wahren Begebenheiten gründende Komödie im Alten Schauspielhaus auf die Bühne. Was 1939 vor sich ging, klingt tatsächlich tragisch und, mit ein wenig Abstand, komisch zugleich. Selznick hatte 50 000 US-Dollar – einst war das auch in der Traumfabrik Los Angeles eine Stange Geld – in die Filmrechte eines Erstlingswerks investiert. Dabei hatten Bürgerkriegsfilme bislang keinen müden Cent eingefahren. Er verschliss drei Regisseure und zehn Drehbuchschreiber. Burn-outs en masse. Fleming kollabierte. Selznick selbst verfiel in einen komatösen Erschöpfungstiefschlaf. Nur Hecht, der die Geschichte für zu lang und witzlos befand, hielt der täglichen, bis zu zwanzigstündigen Arbeit weitestgehend unversehrt stand. Er lehnte aus ideologischen Gründen die Figur der Scarlett O’Hara ab, eine „ehebrecherische Sklavenhalterin“, wie er im Stück kommentiert.

Die Pointen basieren auf derlei Querverweisen. So erklärt Selznick seinem Regisseur etwa, dass er die feurige Schlacht um Atlanta bereits im Kasten hätte: „Ich hab‘ die Kulissen von King Kong abgefackelt, mach dir keinen Kopf!“ Eine wahre Geschichte. Unterhaltsamer noch als die Qualität der durchschnittlichen Gagdichte ist das Tête-à-Tête-à-Tête der drei Akteure. Der Macher, der Denker und der Verkäufer piesacken einander unentwegt. Stefan Kiefer gibt Fleming als arrivierten Lebemann mit Hut und Halstuch, lässig, bisweilen überheblich. Gerne schwadroniert er von seinen Erfolgen. Seine Coolness welkt allerdings, sobald er an den beruflichen Abstieg denkt. Pilar von Pilchaus Drehbuchautor Hecht gibt sich ironisch bis zynisch spöttelnd, bis er daran erinnert wird, dass sein Intellekt allein keine Miete zahlt, woraufhin er sich unterwürfig am Tippgerät platziert.

Michael Hiller glänzt als David O. Selznick. Um seinen Schreiberling mit der „Vom Winde verweht“-Faszination zu infizieren, schlüpft er feuereifrig in die Rolle der Südstaatenschönheit O’Hara und folglich in den Reifrock, weil ihn ihr Schicksal packt, weil er tatsächlich an die Kraft der Kunst glaubt. Dann aber scheinen die Dollar-Zeichen in seinen Pupillen aufzublitzen, wenn er sich auf seinem Pult aufrichtet und gravitätisch einen Blick in die ruhmreiche Zukunft riskiert. Hiller meistert diese Sprünge hoch konzentriert und erschafft einen vielschichtigen Charakter. Als Vierte im Bunde darf Ulrike Barthruff als frei erfundene Sekretärin Miss Poppenghul immer wieder lakaienhaft hereinplatzen.

Nun muss sich eine Komödie ja aber nicht nur an den Darstellern, sondern auch an ihrer Komik messen lassen. Wer über die Entstehungswirren informiert ist, schmunzelt öfters. Zu oft allerdings lässt Camus seine Darsteller die mentale und physische Grenzerfahrung herausbrüllen. Komödiantischer wäre hier eine Drosselung, um die Überanstrengung nicht auf den Betrachter zu übertragen.

„Mondlicht und Magnolien“ verschießt nicht eine Lachsalve nach der anderen, vermittelt aber eindrücklich die Hektik und Problematik einer Kunstproduktion: Vor den Kulissen leuchten Mondlicht und Magnolien, dahinter liegen Bananen und Erdnüsse.

Weitere Vorstellungen bis zum 25. April. Kartentelefon: 07 11 /  2 26 55 05.