Kurt Schrimm in seinem Arbeitszimmer. Er schreibt an einem Buch. Foto: Schilling Foto: Schwarzwälder-Bote

Auszeichnung: Kurt Schrimm wird für seine Arbeit ­mit Verdienstorden geehrt

Eigentlich wollte Kurt Schrimm Geschichte studieren. Auf Anraten seines Vaters ließ er es sein und wurde Jurist. Doch als Ermittler von NS-Straftaten hat ihn die Historie trotzdem begleitet. 15 Jahre leitete der 66-Jährige die NS-Fahndungsstelle. Heute wird er für seine Verdienste geehrt.

Bondorf. Horst Schrimm ist einer von 22 Persönlichkeiten, denen Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg verleiht. "Es schmeichelt mir", gibt der Bondorfer unumwunden zu. Es zeige ihm, dass seine Arbeit, die er gemacht habe, anerkannt werde.

Als Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg war Schrimm derjenige, der die juristischen Voraussetzungen für Prozesse gegen ehemalige NS-Verbrecher schaffte.

15 Jahre war er an der Spitze der Behörde

15 Jahre lange war er an der Spitze der Ermittlungsbehörde, die es in der Bundesrepublik nur einmal gibt. Im September 2015 ging der Leitende Oberstaatsanwalt in Pension. Seine Arbeit, seine Fälle und die Materie rund um die NS-Verbrechen beschäftigen den Bondorfer aber bis heute mehrere Stunden täglich. Er schreibt ein "Fachbuch für interessierte Laien" für den renommierten Heine-Verlag.

An seinem kleinen Schreibtisch im Haus mitten in Bondorf lässt der Autor Schrimm alte Fälle aufleben und berichtet über die Schwierigkeiten von Ermittlungen. "Es geht um meine Person", erzählt er, und auch um die großen Prozesse. Ein wichtiges Kapitel in dem Werk sind auch die verschiedenen Tätertypen. Er habe alle möglichen erlebt, erzählt Schrimm. So beispielsweise den Überzeugungstäter, der sein Unrecht nie eingesehen habe. Oder den ukrainischen Bauernjungen, der als Dolmetscher Angehöriger der Wehrmacht wurde und plötzlich den Befehl erhalten habe, 500 Menschen zu erschießen.

Bei wieder anderen sei das Motiv für NS-Verbrechen nie erkennbar gewesen. Da habe beispielsweise ein Untersturmführer der Waffen-SS, der nie aufgefallen sei, ohne zu überlegen sieben Menschen erschossen. Der habe einfach die Nerven verloren, weil die Rote Armee schon im Anmarsch gewesen sei. Seine Erfahrung habe gezeigt, mutmaßt Schrimm, je höher der Dienstgrad, je eher habe es sich um einen Überzeugungstäter gehandelt.

Bevor der Jurist die Behörde in Ludwigsburg übernommen hat, war er Pressestaatsanwalt in Stuttgart und stand damals immer wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Mit Ludwigsburg habe sich das nochmals enorm gesteigert. Doch das Interesse der Medien an ihm und seiner Arbeit habe ihn nie gestört. Schrimm: "Das gehört dazu". Es sei auch um eine Image-Verbesserung gegangen und er sehe es als seinen Verdienst an, seine Behörde nach außen gut dargestellt zu haben.

Im Ausland sei die NS-Fahndungsstelle besser angesehen als in Deutschland, so Schrimms Erfahrung, der im Laufe seiner Amtszeit immer wieder außerhalb Deutschlands ermittelt hat. Mit NS-Verbrechern war er schon seit 1982 – auch schon in seiner Stuttgarter Zeit – befasst. Seine Recherchen haben ihn nach Israel, Nordamerika und rund 15 Mal nach Südamerika geführt. Sein Tätigkeitsprofil beschreibt Kurt Schrimm so: 20 Prozent Jurist, 40 Prozent Historiker und 40 Prozent Ermittler.

In seiner Amtszeit hat er durchaus auch Misserfolge erlebt und erzählt von einer fünfjährigen Verfolgung eines Mannes, der am Bodensee gelebt hat und mutmaßlich 3000 Todesurteile gesprochen habe. In ganz Europa habe er in dem Fall ermittelt.

Letztendlich habe er ihm nichts nachweisen können und auf Granit gebissen, so Schrimm. Es gebe eben eine juristische und eine historische Wahrheit. Schrimm: "Ich bin heute noch überzeugt, er war es". So sei eben der Rechtsstaat. "Wenn’s net langt, dann langt’s net", sagt der Bondorfer ohne Emotionen.

In machen Fällen biss der Ermittler auf Granit

Und ohne Emotionen zu zeigen, spricht der Bondorfer über seine Erkenntnis, das sich alles, was während des NS-Regimes geschehen ist, sich wiederholen könne. Es müsse nur die Mixtur stimmen: ein Volk, dem es schlecht geht, einen Schuldigen, im Dritten Reich waren dies die Juden, und eine Person, die eine Lösung verspricht (Hitler). Auch wenn Kurt Schrimm in tiefe Abgründe geschaut hat, belastet habe ihn seine Arbeit nie, sonst könne man diesen Job nicht machen. Schrimm: Ich habe auf Knopfdruck abschalten können."

"Das Geschäft hat großen Spaß gemacht", blickt Schimpf deshalb gerne zurück, auch weil er sein Hobby, die Geschichte, hätte zum Beruf machen können. Aber das tägliche Pendeln mit dem Zug von Bondorf nach Ludwigsburg sei ihm zuviel geworden. Oft sei er am Tag drei Stunden unterwegs gewesen, so Schrimm, der seit 44 Jahren in Bondorf lebt, wo seine Frau Brigitte ein Leder- und Korbwarengeschäft betreibt.