Lothar Mennig, Hermann Strampfer, Wolf-Dietrich Hammann und Günther-Martin Pauli (von links) erläutern vor der Lockheed F-104 den Stand der Planungen zur Landeserstaufnahmestelle in der ehemaligen Zollernalb-Kaserne in Meßstetten. Im September könnten die ersten Flüchtlinge auf die Schwäbische Alb kommen, die Aufnahmestelle soll für zwei Jahre befristet sein. Foto: Maier

Land richtet in Zollernalb-Kaserne in Meßstetten Erstaufnahmestelle ein. Kommune hofft auf Großgefängnis.

Meßstetten - Die Lockheed F-104 hat ihre besten Tage hinter sich. Auf dem Gelände der Zollernalb-Kaserne in Meßstetten sind die Tage des Starfighter genannten Flugzeugs demnächst tatsächlich gezählt.

Die F-104, immer wieder gerne fotografiertes Symbol für den früher bedeutenden Luftwaffenstützpunkt hoch droben auf der Schwäbischen Alb, wird wenige Monate nach dem Abzug der Bundeswehr und der Schließung der Kaserne von ihrem Sockel geholt, ebenso wie alle anderen  militärischen Überbleibsel auch aus dem Kasernengelände entfernt werden. Statt Soldaten soll ein Großteil des Areals künftig Menschen eine erste Heimat bieten, die vor Krieg und Zerstörung geflohen sind.In Meßstetten, in der ehemaligen Zollernalb-Kaserne, will das Land  neben Karlsruhe die zweite Landeserstaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge einrichten.

Bei einer Besichtigung des Geländes wurde am Montag der Stand der Planungen vorgestellt. Wolf-Dietrich Hammann, Ministerialdirektor des Integrationsministeriums, sagte, dass Meßstetten dringend gebraucht werde. Günther-Martin Pauli, Zollernalb-Landrat und CDU-Landtagsabgeordneter, meinte, dass die Einrichtung der LEA in Meßstetten keinen Spaziergang, sondern einen gewaltigen Marsch bedeutete. Die vorbereitenden Arbeiten sind seit Mitte August in vollem Gange. Sie laufen auch deshalb sehr intensiv, weil derzeit so viele Flüchtlinge wie seit Jahren nicht mehr nach Deutschland und damit auch nach Baden-Württemberg kommen. Die Landesregierung sei glücklich, dass man in Meßstetten eine vorübergehende Lösung gefunden habe, sagte Hamman am Montag.

Befristet für zwei Jahre sollen in der 10.000-Einwohner-Stadt 500, maximal 1000 Flüchtlinge unterkommen. Rund 14.000 Asylbewerber kamen im vergangenen Jahr nach Baden-Württemberg, in diesem Jahr rechnet das Integrationsministerium mit rund 23.000. Sie alle kommen zentral in der LEA in Karlsruhe an, werden registriert und medizinisch untersucht, bevor sie  an die Kreise und Städte im ganzen Land verteilt werden. Die Karlsruher Einrichtung ist seit Monaten total überlastet. Ursprünglich war sie für  die Aufnahme von rund 900 Menschen ausgelegt, heute bietet sie samt Außenstellen im Karlsruher Stadtgebiet sowie in Mannheim 3000 Menschen eine erste Bleibe. Aktuell kommen nach Angaben von Hammann überdurchschnittlich viele Flüchtlinge ins Land, täglich zwischen 300 und 500. Wegen dieses starken Anstroms gibt es derzeit einigen politischen Streit.  Dabei geht es auch um die Frage, welche Flüchtlinge man überhaupt noch nach Deutschland lässt   und Menschen welcher Herkunft man schnell wieder zurückschicken soll.

Täglich kommen 300 bis 500 Flüchtlinge ins Land

Mit der Einstufung von Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sogenannte sichere Herkunftsstaaten will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die stark steigende Zahl der von dort kommenden Asylbewerber senken. Im Bundestag wurde das Gesetz bereits verabschiedet; im Bundesrat braucht es die Zustimmung der rot-grün regierten Länder, also auch Baden-Württembergs. Die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus diesen drei Ländern liegt bei weniger als einem Prozent. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert in den Verhandlungen mehr Geld vom Bund für die Kommunen, die unter der Last des Flüchtlingsansturms ächzen; ebenso soll es  Asylbewerbern erleichtert werden, eine Arbeit aufzunehmen.

Kritiker werfen der grün-roten Landesregierung auch vor, sie habe dem starken Flüchtlingsansturm in diesem Jahr zu lange tatenlos zugesehen. Das Integrationsministerium entgegnet, dass die Suche nach weiteren Erstaufnahmeeinrichtungen gar nicht so einfach sei, dass es in vielen Städten und Kreisen keine geeigneten Immobilien gebe. Ministerialdirektor Hammann sagte am Montag, dass das Land weiter "händeringend" auf der Suche nach weiteren Standorten sei. Noch in dieser Woche werde es Gespräche mit der Stadt Freiburg geben.

Gebäude sind "praktisch bezugsfertig"

Laut Hammann soll es künftig neben Karlsruhe drei weitere dauerhafte Landeserstaufnahmestellen in Baden-Württemberg geben. In Meßstetten ist das Ministerium schon fündig geworden: Die Gebäude strahlen zwar immer noch ihren ganz eigenen Kasernen-Charme aus, sind nach Meinung von Grit Puchan, der Vize-Regierungspräsidentin Tübingen,  aber "praktisch bezugsfertig". Einen genauen Einzugstermin nannte Puchan gestern nicht, sagte aber, dass die ersten Flüchtlinge "so schnell wie möglich, möglichst noch vor dem Winter, wahrscheinlich im Oktober" nach Meßstetten kommen sollen, um Karlsruhe rasch zu entlasten.

Voraussichtlich zum 1. Oktober mietet das Land den Teil des Kasernengelände von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben an, der für die Einrichtung der LEA notwendig ist. Männer, Frauen und Familien können in der ehemaligen Kaserne in jeweils getrennten Häusern untergebracht werden, die ehemalige Kantine wird reaktiviert, ebenso die Arzt- und Krankenstation. Für Kinder wird in einem weiteren Haus ein Kindergarten eingerichtet. Das Soldatenheim, wo früher Gastronomie untergebracht war und Veranstaltungen stattfanden, soll künftig als Ort der Begegnung mit den Meßstettener dienen.

Zum 1. Oktober sollen Flüchtlinge einziehen

Kirchen und Vereine haben ihren Willen signalisiert, sich mit diversen Angeboten für die Flüchtlinge engagieren zu wollen. Das nannte der Tübinger Regierungspräsident Hermann Strampfer gestern vorbildlich: Diese Haltung mache deutlich, dass nicht nur die Landesregierung, sondern auch die Baden-Württemberger Flüchtlingen helfen wollen. Überhaupt ist nach Angaben von Bürgermeister Lothar Mennig (Freie Wähler) die Bereitschaft in Meßstetten groß, den Flüchtlingen zu helfen. Ebenso erkenne man die "Notlage des Landes", eine weitere LEA einrichten zu müssen, sagte Mennig gestern, ebenso, dass die Zollernalb-Kaserne ganz offensichtlich  derzeit die einzige für eine Erstaufnahmestelle  geeignete Liegenschaft im Land sei.  

Mennig betonte allerdings auch, dass der Standort nicht eben ideal sei. Meßstetten sei eine kleine Stadt im ländlichen Raum, die mit der Aufnahme von 500 bis maximal 1000 Flüchtlingen schnell überfordert sein könnte. Deshalb betonte der Bürgermeister gestern noch einmal die zeitliche Befristung der in Meßstetten geplanten LEA - diese soll nur für zwei Jahre bestehen, wie mit dem Ministerium abgesprochen. Der Meßstettener Gemeinderat wird am Freitag dieser Woche aller Voraussicht nach das Vorhaben gutheißen.Im Gegenzug erwartet die Stadt Meßstetten für ihr Entgegenkommen in Sachen LEA vom Land Unterstützung, wenn es um die dauerhafte Nachnutzung des Kasernen-Geländes geht. Konkret denke man dabei an die "Standortfindung für ein Großgefängnis", heißt es in der Vorlage für die Sondersitzung des Gemeinderats am Freitag.

Im Gespräch für das vom Land geplante Großgefängnis sind derzeit Standorte in Rottweil sowie Weigheim; im bisherigen Suchlauf war Meßstetten abgeschlagen. Vor wenigen Wochen haben indes Probebohrungen begonnen, mit denen das Land bis nächstes Jahr die potentiellen Bauflächen vertieft untersucht - auch in Meßstetten. Möglicherweise, so die Hoffnung auf der Schwäbischen Alb, steht am Ende der neuerlichen  Prüfung und unter besonderer Berücksichtigung des Entgegenkommens bei den Flüchtlingen Meßstteten als Gefängnis-Standort weiter, viel weiter vorne auf der Liste.

Mehr zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in Meßstetten finden Sie auf unserer Themenseite.