Melanie Mañas-Rau experimentiert mit den Kindern in der Kindertagesstätte der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Foto: Schwarzwälder-Bote

Melanie Mañas-Rau forscht als Erzieherin mit den Kindern in der Kindertagesstätte der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge

Meßstetten. "Die Kinder hier brauchen vor allem eines: Zeit, um anzukommen": Melanie Mañas-Rau forscht als Erzieherin in der Landeserstaufnahmestelle in Meßstetten gemeinsam mit Flüchtlingskindern im MINT-Bereich. Dem Schwarzwälder Boten beantwortete sie einige Fragen.

Wie kamen Sie auf die Idee, gemeinsam mit den Kindern in der Landes-Erstaufnahmestelle zu forschen?

Ich kenne das "Haus der kleinen Forscher" aus meinem letzten Ausbildungsjahr. In der dortigen Kita haben die Erzieherinnen und Erzieher gemeinsam mit den Kindern geforscht und sich zertifizieren lassen. Als ich mich dann in der Kita der Landeserstaufnahmestelle in Meßstetten beworben habe dachte ich: ›Das ist eine tolle Sache, die ich auch mit den Kindern hier machen könnte.‹ Denn hier geht es uns vor allem darum, die Kinder auf ihre Zeit in einer regulären Kita oder Schule vorzubereiten. Dafür ist es wichtig, dass sie über gemeinsame Aktivitäten erfahren, wie sie im Alltag miteinander agieren. Wir wollen ihre sozialen Kompetenzen schulen und ihnen in diesem Bereich über Erfahrungen des Könnens Sicherheit vermitteln. Dafür eignet sich auch das Forschen sehr gut.

Wie gehen Sie vor? Können Sie einen Ihrer Forscher-Versuche beschreiben?

Die Kinder, die wir betreuen, sprechen kaum Deutsch. Daher zeige ich viel. Und wir kommunizieren viel mit Gesten oder ich helfe mir mit Englisch. Mittlerweile habe ich aber auch schon einige arabische Wörter gelernt. Mein erster Versuch drehte sich um Farben: Ich habe grüne, blaue, rote, gelbe und lila Filzstifte auf den Tisch gelegt und die Kinder durften Kaffeefilter bemalen, über die wir Wasser laufen ließen. Die Filter haben wir aufgeschnitten, so dass sie wie bunte Blumen aussahen. Das war wunderschön.

Wie reagieren die Kinder auf ihre Anregungen? Gab es eine Reaktion, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Es ist besonders toll zu sehen, wie sie miteinander umgehen. Sie lernen voneinander und helfen sich gegenseitig. Als ich zum Beispiel Licht und Schatten mit ihnen untersuchte, sollte ein syrischer Junge den Schatten eines Mädchens aus Serbien nachzeichnen und hatte ziemliche Probleme – die Sonne verschwand immer wieder hinter einer Wolke – und gleichzeitig wurde sie nervös, da sie ihm gerne helfen wollte. Das hat ein anderer Junge bemerkt, ist zu ihnen hin und hat mit dem Jungen gemeinsam den Schattenumriss erstellt. So etwas ist toll zu beobachten.

Was müssen Sie bei der Arbeit mit Flüchtlingskindern beachten? Sie haben vorher in einem regulären Kindergarten gearbeitet, was unterscheidet Ihre Arbeit?

Die Flüchtlingskinder brauchen Zeit. Zeit, um anzukommen, und Zeit, um ihre Erfahrungen zu verarbeiten. Wir versuchen, ihnen diese Zeit zu lassen und ihnen dafür Raum zu geben. Und sie sind sehr viel anhänglicher als die Kinder, die ich vorher in den Kitas kennen gelernt habe. Das hat nichts mit Vernachlässigung zu tun, ich schätze, es ist einfach ihre Art mit Menschen umzugehen, zu denen sie Vertrauen gefasst haben. Seit ich mir darüber bewusst geworden bin, ist es für mich das Zeichen: Ja, sie sind angekommen. Im Bereich des Forschens ist es für mich wichtig, Versuche auszuwählen, bei denen die Kinder einige der Phänomene mit ihrem Körper nachempfinden. Dann vollziehen sie die Abläufe und Reaktionen besser nach und verorten gleichzeitig sich selbst.

Haben Flüchtlingskinder andere Fragen an ihre Umwelt als Kinder, die keine solch umwälzenden und mitunter traumatischen Erfahrungen gemacht haben?

Ihr Verhältnis zur Umwelt ist ein anderes, das auf jeden Fall. Eine wichtige Aufgabe während unseres monatlichen Waldtages ist es, die Kinder daran zu erinnern, dass sie ihre Plastikverpackungen nicht einfach liegen lassen. Das ist in den Ländern aus denen sie kommen, nicht immer selbstverständlich.

Was sollten Erzieherinnen und Erzieher berücksichtigen, die mit Kindern arbeiten, die aus ihrer Heimat flüchten mussten?

Sie brauchen Zeit. Sie sollten ihnen Zeit lassen, um anzukommen. Das ist nicht anders als bei einem Kind, das umgezogen ist. Da braucht auch jeder seine Zeit, um anzukommen. Wenn die Kinder diese Zeit bekommen, werden diese Erzieher und Erzieherinnen mit Sicherheit ganz tolle, wunderbare Kinder kennenlernen.

Was würden Sie den Kindern gerne mitgeben, die Sie in der Lea-Kita kennengelernt haben?

Gesundheit und Glück, und dass sie sich an dem neuen Ort, wo sie hinkommen, genauso wohlfühlen, wie es hier der Fall war.

u In der Kindertagesstätte der Landeserstaufnahmestelle werden 30 bis 70 Kinder betreut. Sie sind zwischen drei und 13 Jahren alt.