Drei Jahre und vier Monate – Landgericht Hechingen erkennt verminderte Schuldfähigkeit beim Angeklagten
Von Marc Ringgenburger
Hechingen/Meßstetten. Drei Jahre und vier Monate lautete gestern das Urteil des Landgerichts Hechingen über den 53-Jährigen, der im Oktober vergangenen Jahres eine Apotheke in Meßstetten überfallen hat.
Ins Gefängnis muss der Angeklagte jedoch nicht: Eine Langzeit-Therapie im psychiatrischen Behandlungszentrum Waldshut auf der Reichenau ist laut dem Bericht des psychiatrischen Gutachters Ralph-Michael Schulte notwendig.
Grund dafür: Die Probleme des 53-Jährigen gehen bis in seine Jugendzeit zurück. Eine langjährige Alkoholsucht in Verbindung mit einer Persönlichkeitsstörung, die sich in schweren Kommunikationsschwierigkeiten widerspiegelt – von Störungen außerhalb der Bandbreite war die Rede – seien die schwerwiegenden Probleme, die den Angeklagten zum Täter machten, so Richter Herbert Anderer: "Der Alkohol hat Sie vor die Strafkammer gebracht." Auch die Frage, wie ein suchtfreies Leben nach Verbuchen der Strafe aussehen könnte und ob eine berufliche Integration möglich ist, brachte das Gericht zu diesem Beschluss.
"Mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe zieht die besonders schwere räuberische Erpressung normalerweise nach sich", sagte Anderer, "Anders im Fall des Anklagen, wo Besonderheiten zu seinen Gunsten berücksichtigt wurden."
"Die Aktion war hirnrissig und nicht geplant", fuhr der Richter fort. "Die Tatsache, dass der Angeklagte kurz vor der Tat schon einmal in der Apotheke war, um sich nach Medikamenten zu erkundigen, und dann wiederkam – wohlgemerkt beide Male unmaskiert – ist grotesk." Dass der Angeklagte, als er bereits im Besitz des Geldes war, dann noch den Angestellten seine Situation erklären wollte und sich entschuldigt habe, sowie der fehlende Fluchtplan untermauerten die Spontaneität der Tat. Glück habe er gehabt, dass der Schaden der Apotheke sowie der Angestellten überschaubar gewesen sei, erklärte der Richter die verminderte Schuldfähigkeit und erwähnte noch einmal den Einfluss dreier verschiedener Substanzen – Alkohol, Cannabis und Antidrepressiva – im Blut des Angeklagten während des Tatzeitpunkts.
"Wackelig" nannte Richter Anderer den Versuch einer neuen Therapie, nachdem diese in der Vergangenheit schon öfters gescheitert seien – eine Chance bestehe aber trotzdem. "Sportlich gesehen ist das, als träfe der VfB im Bernabeu-Stadion auf Real Madrid. Als Stuttgarter probiert man es; die Chance ist da. Manchmal gewinnt der, der schneller rennt als die Anderen; rennen Sie los!", riet Anderer und beendete die Verhandlung.