Die Künstlerin Jeanne Williams war Motor und treibende Kraft der Partnerschaft. Am 5. Juni ist sie 92-jährig in Kalifornien gestorben. Foto: Schwarzwälder-Bote

Geschichte einer Partnerschaft – Teil 2: Ihre besten Zeiten erlebte die Liaison von Meßstetten und Toccoa zwischen 1977 und 1979

Im Jahre 1977 schlossen Meßstetten und die Stadt Toccoa im US-Bundesstaat Georgia eine mehr oder weniger offizielle Städtepartnerschaft. Am Anfang war der Enthusiasmus groß – vor allem auf Seiten der Amerikaner.

Meßstetten. Gladys Farmer zum Beispiel: Die Präsidentin des "Currahee Mountain Homemakers Club" – auf Deutsch heißt das ungefähr "Curraheeberg-Hausfrauenclub" – schickte einen Brief nach Meßstetten, in dem sie ihren Verein vorstellte und der Hoffnung Ausdruck gab, ihr Schreiben möge eine vergleichbare Organisation oder zumindest eine interessierte Hausfrau erreichen. Sie fügte ein Rezept für "knusprige, weiße Zuckerplätzchen" bei, welches billig und einfach sei und ihr schon seit 1936 Freude bereite.

Dem Brief war ferner zu entnehmen, dass der Club sich im März 1977 besonders intensiv mit dem Thema Unfallprävention im Haushalt befasste und sich an einem städteübergreifenden Quilting Projekt beteiligte. Was gemeint war, dürften damals nicht viele Meßstetter gewusst haben – die Gründung der Albstädter "Happy Quilting Ladies" lag noch Jahrzehnte in der Zukunft. Auch die Juristen meldeten sich zu Wort: Rechtsanwalt Cecil Clifton erkundigte sich, wie Rechtsanwälte in Meßstetten arbeiten, und berichtete, dass er und seine elf Kollegen in Toccoa recht vielseitig sein müssten, weil ihrer so wenig seien. Ein Dutzend Anwälte für 8000 Einwohner – wenig? Alles ist relativ.

Ähnlich vielseitig wie die Anwälte war Künstlerin Jeanne Williams, die ebenfalls Kontakt zu Meßstetter Kollegen aufzunehmen versuchte – ob Holzschnitt, Kupferschmuck, Malerei oder Tonskulptur: Jeanne Williams war in allen Techniken zu Hause und sicherlich nicht finanziell abhängig von ihrer Kunst, denn ihr Mann war Zahnarzt. Übrigens fand sie, dass deutscher Wein der beste der Welt sei.

Als Kirchenältester der Presbyterianer und Radiomoderator stellte sich ein Herr mit dem schönen Namen Otto McDonald vor – sein Regionalsender sendete vor allem Country-Musik. Altenpflegerin Frieda Weeks wollte wissen, wie Altenpflege in Deutschland aussah; tiefe Skepsis gegenüber US-Präsident Jimmy Carter bekundete Bankdirektor William Clary – und das, obwohl Carter ein Landsmann aus Georgia war.

Eine wichtige Rolle bei der Anbahnung von Kontakten spielte das Ehepaar Schnell aus Toccoa – beide waren Deutsche und zuständig dafür, die Antwortbriefe der Meßstetter zu übersetzten. Ein Partnerstadtkomitee gab es auch; seine erste Präsidentin war Jeanne Williams, die Künstlerin und Zahnarztgattin.

In der lokalen Zeitung "The Toccoa Records" erschien im Mai 1977 ein Bericht über einen Oberdigisheimer "Womens’ Club", der offenbar auf Gladys Farmers Brief reagiert hatte – das Foto zeigte die Damen unterm Weihnachtsbaum. Um zu zeigen, wie viel die Partnerschaft ihnen wert war, pflanzten die Amerikaner einen Baum für Meßstetten im Stadtpark von Toccoa. Er sollte ein Symbol für die "lange und fruchtbare Verbindung der Bürger beider Städten" sein, wie Bürgermeister Roy Gaines erklärte.

Plötzlich stehen drei Paare im Amtszimmer Erwin Gomeringers

Briefe und Bäume sind eines, direkte Kontakte etwas anderes. Die ersten Bürger aus Toccoa, die Meßstetter Boden betraten, waren 1978 die Pfarrer David Turner und Jim Yeary sowie Musiklehrer Edwin Robertson mit ihren Ehefrauen – die Post, die ihr Kommen ankündigte, traf zu spät ein; Bürgermeister Erwin Gomeringer fiel daher aus allen Wolken, als die drei Ehepaare am 9. Juli urplötzlich in seinem Amtszimmer standen.

Sie besichtigten Schulen und soziale Einrichtungen und nahmen etliche Schallplatten mit "einheimischer" Musik mit heim. Im gleichen Jahr traf Gomeringer in Stuttgart Georgias Gouverneur George Busbee, der die Partnerschaft zwei Jahre zuvor angebahnt hatte. Der Bürgermeister erhielt einen symbolischen Stadtschlüssel von Toccoa, Busbee einen Bildband von Meßstetten. Der lag aber zwei Jahre in seinem Büro, bis Jeanne Williams ihn selbst abholte.

Der erste Meßstetter, der im Gegenzug Toccoa besuchte, war Kurt Moeck, der im Herbst 1978 den Osten der USA bereiste. Acht Tage blieb er; sein Reisebericht fällt dafür eher lapidar aus: Der Aufenthalt in Toccoa sei "lebenswert", vermerkte er – und dass in Toccoa Interesse an Investitionen in Meßstetten bestehe.

Ende Oktober 1978 – Moeck war kurz zuvor wieder abgereist – wurde ein "Meßstetten-Tag" in Toccoa veranstaltet, an dem alle, die in Meßstetten gewesen waren, über ihre Reise berichteten.

1979 besuchte eine 14-köpfige Delegation aus Toccoa Meßstetten. Bürgermeister Willi Fischer, damals ganz neu im Amt, bestätigte in einem Brief an seinen Kollegen im Rathaus von Toccoa, dass der Besuch ihm erst klar gemacht hatte, wie sehr "die Bevölkerung" doch für die Partnerschaft brenne.

Was er nicht ahnen konnte: Der Zenit war schon überschritten – ihre besten Tage hatte die Partnerschaft von Meßstetten und Toccoa bereits hinter sich.