Nach schweren Unfällen wird neben Notarzt, Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei oft auch der Notfallnachsorgedienst gebraucht. Foto: Archiv

Betroffene werden in akuten Situationen unterstützt. Psychisch schwere Aufgabe für Helfer.

Meßstetten - Sie sind bei Tag und Nacht im Einsatz: die speziell ausgebildeten Helfer des Notfallnachsorgedienstes (NND) des Roten Kreuzes. Sie kommen beispielsweise zu Menschen, bei denen ein Angehöriger etwa durch einen Unfall unerwartet gestorben ist.

Es geschieht aus heiterem Himmel: Der Mann mäht im Garten den Rasen, plötzlich bricht er zusammen und ist tot. Seine Frau und der 19-jährige Sohn finden ihn leblos, sind geschockt und benötigen Hilfe. In einer solchen Situation kommen die Helfer des Notfallnachsorgedienstes des Roten Kreuzes zum Einsatz. "Wir haben uns Zeit für die Frau und den Sohn genommen und die nächsten Schritte veranlasst", erzählt Heike Rau, Leiterin des Notfallnachsorgedienstes im Zollernalbkreis. "Der Sohn saß stumm da und wollte nicht reden, aber war froh darüber, dass jemand bei ihm war, mitgeschwiegen und seine Hand gehalten hat."

Die Frau hatte dagegen einen "hohen Gesprächsbedarf", erzählte aus ihrem Leben und wollte wissen, was auf sie zukommt. "Wir sind drei Stunden bei der Familie gewesen, bis die Angehörigen übernommen und weiter betreut haben." Der Fall ist exemplarisch: "Manche Betroffene erzählen sehr viel – vom Ereignis, über ihr gesamtes Leben – und fragen, wie es jetzt weitergeht. Andere schweigen, wollen aber nicht alleine sein, möchten nichts hören, brauchen aber die Anwesenheit einer anderen Person."

Durch die Ausbildung, die die Helfer absolvieren, entwickeln sie ein Gespür dafür, was die Betroffenen wollen. "Wir drängen uns nicht auf. Wenn jemand sagt, er will wieder alleine sein, dann ist das völlig in Ordnung", betont Heike Rau. Zu den Einsätzen werden die Helfer des NND vom Rettungsdienst oder vom Notarzt gerufen. In den meisten Situationen geht es um Todesfälle. "95 Prozent der Einsätze haben als Grund einen plötzlichen Todesfall eines Familienangehörigen, bei dem jemand zurückbleibt, der mit der Situation völlig überfordert ist und nicht allein bleiben kann", erläutert Heike Rau.

Leben verändert sich in wenigen Sekunden

Die Helfer sind so lange vor Ort, bis sich die Lage beruhigt hat oder jemand aus der Familie übernimmt. "Das ist mal eine halbe Stunde, das sind aber auch mal zwei bis drei Stunden. Es lässt sich nie sagen, wie lange der Bedarf besteht." Nach der akuten Situation verlassen die Helfer die Angehörigen wieder und haben im Normalfall mit der Familie keinen Kontakt mehr, vermitteln aber, wenn es gewünscht ist, eine weitere Betreuung.

"Wenn Kinder betroffen, verunglückt oder gar gestorben sind, ist das stets eine schwere Aufgabe", sagt Rau. Das wollen nicht alle Aktiven leisten und deshalb nicht gerufen werden, weil sie das nicht miterleben wollen. Solchen Wünschen trägt die Einsatzleitung Rechnung. Dabei zu sein, wenn die Polizei die Todesnachricht überbringt, ist nicht einfach: "Die NND-Helfer sind dann für die Familien da, deren Leben sich in ein paar Sekunden vollkommen verändert hat", beschreibt Heike Rau. Es gehe darum, "dass die Menschen nicht alleine mit der Situation dastehen".

Das sei auch für die Helfer "sehr belastend". Die Aktiven des Notfallnachsorgedienstes sind deshalb immer zu zweit im Einsatz. Neulinge gehen mit einer erfahrenen Kraft mit. Das hilft bei der eigenen Verarbeitung. Die Helfer tauschen sich aus und sprechen im Zweierteam miteinander über die Fälle. Zu zweit unterwegs zu sein, dient auch dem Eigenschutz: "Man weiß nie, wie die Leute reagieren, da ist es sicherer zu zweit", erläutert die Leiterin des NND im Zollernalbkreis. Außerdem sind die beiden Leiterinnen, neben Heike Rau noch Stellvertreterin Karin Augustin, Ansprechpartnerinnen. Einmal im Monat kommt zudem die gesamte NND-Gruppe zusammen, bespricht die Einsätze und arbeitet sie auf. Bei Bedarf ist es möglich, einen externen Psychologen einzuschalten: "Das haben wir aber noch nie gebraucht, bisher haben wir alles gut selbst aufgefangen", betont Rau.

Es ist ein reines Ehrenamt, für das lediglich Fahrtkosten gezahlt werden. Das Angebot ist kostenfrei für die Bürger. Wegen eines Einsatzes ist bislang noch kein Helfer abgesprungen. Dennoch ist es schwierig, neues Personal zu rekrutieren: "Der Helfer muss von der Aufgabe überzeugt sein, selbst stabil sein und einen guten Stand im eigenen Leben haben", sagt Heike Rau. Außerdem muss er mindestens 21 Jahre alt sein.

Für Rau ist klar: "Die Hilfe des Notfallnachsorgedienstes anzunehmen, ist sinnvoll."