Teuflisch brillant: Koray Potel als Student und Christoph Holbein als Mephisto Fotos: Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

Urfaust: "Theater unter der Laterne" feiert Erstaufführung

Teufel auch, so machen Klassiker Spaß: Mit ihrer einfallsreichen Version des "Urfaust" haben die Akteure des "Theater unter der Laterne" einen Klassiker entstaubt, eine herrliche Kulisse bespielt und einen Volltreffer gelandet.

Meßstetten-Oberdigisheim. Den wohl berühmtesten Monolog der Theatergeschichte bekommen die Zuschauer gleich zwei Mal zu hören: Heinrich Faust, der Doktor, der sich fragt, "was die Welt im Innersten zusammenhält", hat natürlich ein Smartphone mit Diktiergerät-Funktion in der Inszenierung von Johann Wolfgang von Goethes "Urfaust", die überhaupt neuzeitlich, frisch und pfiffig daher kommt.

Voll besetzt zur Premiere ist das Party-Zelt auf dem Fehlochhof, dessen herrlicher Garten den Akteuren des "Theater unter der Laterne" eine außergewöhnlich schöne Bühne bietet, die sie trefflich zu nutzen wissen. Weil vor dem Zelt noch nachbestuhlt werden muss, verschwindet die Grenze zwischen Spielfläche und Publikum, und die Darsteller beziehen dasselbe in ihr ausgezeichnet choreografiertes Spiel mit ein.

Die Geschichte – ein bisschen kürzer, ein bisschen puristischer, ein bisschen anders als der "Faust" – kennt jeder. Es ist die Tragödie des Gelehrten, der sich mit dem Teufel in Gestalt des Mephistopheles einlässt, sich in Margarethe verliebt und schließlich zu Mephistos Spielball und zu Gretchens Verderben wird.

Die Zerissenheit des Heinrich Faust, der anfangs an der Welt verzweifelt und dann vor Sehnsucht nach seinem Gretchen schier vergeht, macht Joachim Mangold mit seinem einfühlsamen Spiel förmlich greifbar. Schaurig-schön agiert Gabriele Gatzweiler gleich zwei Mal in Geistergestalt: als verwunschener Erdgeist – vor der Kulisse eines mächtigen Baumes bestens ins Szene gesetzt – und als böser Geist, der das Gretchen am Ende ins Jenseits holt. Dass sie auch derb und zünftig kann, beweist Gatzweiler in Auerbachs Keller beim Trinkgelage mit den anderen Gesellen "Frosch" (Jan David Grebe, der zu Anfang auch einen forschen "Wagner" gibt) und "Siebel". Sein Darsteller Koray Potel brilliert vor allem in der Rolle des Jungstudenten: erfrischend naiv, mit amüsierender Unsicherheit und köstlicher Erwartungsfreude – ein großes Talent in den Startlöchern.

Das Teuflische in allen Facetten

Christoph Holbein, der auch Regie führt, ist diesem Stadium längst entwachsen und hat im Mephisto eine Paraderolle gefunden. Mit sichtlicher Spielfreude gibt er seiner Figur alle Facetten des Teuflischen, ist charmant und verschlagen, listig und spöttisch, frech und ungeduldig, zynisch und böse – und in jeder Facette überzeugend. Herrlich, wie der Mime den Studenten und Faust umgarnt, liebkost, einwickelt. Beängstigend, wie das Böse in seinen Augen funkelt, wenn er in seinem letzten Streich das Unglück Fausts und seines Gretchens besiegelt.

Sie gibt Vanessa Litke mit unschuldiger Leichtigkeit und steigert die Dramatik ihres Spiels mehr und mehr bis zum Höhepunkt ihrer Tragödie, da sie ihr Kind ertränkt und ihre Mutter ungewollt getötet hat, schließlich selbst zu Grunde geht. Eine Glanzleistung liefert außerdem Barbara Wydra ab: Als Frau Marthe im etwas zu leichten Gewand ist sie unverschämt frivol, versucht mit billigen Reizen zu verführen und verleiht ihrem Spiel gerade so viel Ironie, dass es Spaß macht, ohne komisch zu wirken.

So wird der Abend auch für jene zum Vergnügen, die Klassikern aus der Sturm- und Drangzeit gewöhnlich nichts abgewinnen können. Ob Petrus zu Letzteren gehört? Jedenfalls schickte er in der Mitte der zweistündigen Aufführung ein mächtiges Gewitter, ließ es blitzen, donnern und wie aus Eimern regnen, was die Schauspieler ihrer Freiluftbühne beraubte. Dass sie – das Publikum im Zelt vor sich – im Atelier der Künstler Brigitte Wagner und Reinhard Wulf auf kleinerer Spielfläche weitermachten, spricht für ihr Improvisationstalent und ihre Professionalität, welche die Zuhörer, ebenso wie das großartige Spiel, mit so donnerndem Applaus honorierten, dass es gar ein Bild von der Wand fetzte.

Die Inszenierung des "Urfaust" ist nochmals zu sehen am Samstag, 27. August, ab 20 Uhr auf der Minigolf-Anlage in Hausen im Tal, am Samstag, 3. September, ab 18.30 Uhr im Kunst-Werk-Haus am Ziegelplatz in Ebingen und am Samstag, 10. September, ab 18.30 Uhr im "Bergcafé" in der Ortsmitte von Burgfelden.

Weitere Informationen: http://theaterunterder laterne.de