Die Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Meßstetten. Foto: Maurer

Landgericht arbeitet Tumulte in Meßstetten auf. Überbelegung führt immer wieder zu Streit.

Meßstetten/Hechingen - Wegen eines Brötchens kam es im vorigen Jahr in der Landeserstaufnahmestelle Meßstetten zu handfesten Tumulten. Das Landgericht Hechingen versucht, die Vorfälle aufzuklären.

Der Abend des 13. November 2015 ist zunächst einer wie viele andere in der Landeserstaufnahmestelle (Lea) Meßstetten, nichts deutet darauf hin, dass es an diesem Tag noch Besonderheiten geben könnte. Gut, die Lage in der Flüchtlingsunterkunft im Zollernalbkreis ist seit Wochen angespannt, weil die Belegung weit über dem liegt, wofür die Lea ausgelegt ist: Ursprünglich konzipiert für die Unterbringung von rund 1000 Bewohnern, sind in dieser Zeit, als der große Flüchtlingsstrom nicht abzuschwellen scheint, mehr als 3000 Menschen auf der Schwäbischen Alb einquartiert. Wie sich an diesem Abend zeigt, waren das wahrscheinlich einfach zu viele. Wegen einer Kleinigkeit eskaliert die Lage, es kommt zu massiven Unruhen; der genaue Hergang wird seit gestern am Landgericht Hechingen aufgearbeitet.

Ein Brötchen: Das scheint gegen 19.15 Uhr an diesem Abend der Auslöser für die massiven Tumulte gewesen zu sein an diesem Freitagabend, der weltweit wegen der Terroranschläge in Paris im Gedächtnis bleibt. Bis heute ist unklar, wie viele der Flüchtlinge in der Meßstetter Lea genau an den Randalen beteiligt waren – die Staatsanwaltschaft geht von 50 bis 80 aus, am Tag des Geschehens selbst sprach die Polizei von 200 bis 300 Beteiligten. Rund 100 Polizisten waren samt Hubschrauber im Einsatz.

Securitymitarbeiter wehren sich mit Pfefferspray

Die Wut der Flüchtlinge richtet sich gegen einen Securitymitarbeiter. Dieser hatte ein syrisches Ehepaar samt Kindern am Ausgang der Mensa gestoppt, weil es ein Brötchen mehr als erlaubt und außerdem die Brötchen unerlaubterweise aus der Mensa mitführen wollte. Es kam zu einem Gerangel, die schwangere Frau ging zu Boden. Mehrere syrische und irakische Flüchtlinge griffen in den Streit ein und die Securitymitarbeiter an – diese wiederum setzten Pfefferspray ein, was die Lage weiter eskalieren ließ. In der Folge flogen Steine gegen Mitarbeiter der Lea, auch zwei Polizisten wurden beinahe getroffen. Zahlreiche Fenster gingen zu Bruch.

Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig. Nur vier Männer sind angeklagt; bei ihnen glaubt die Staatsanwaltschaft Hechingen, einen konkreten Tatnachweis führen zu können. Zwei Irakern und zwei Syrern wird vorgeworfen, die Tumulte maßgeblich angestachelt und durch Steinwürfe Menschen verletzt zu habenzu haben. Sie sollen Parolen gerufen haben wie "Wer Ehre hat, muss jetzt alle Security-Mitarbeiter schlagen", "Iraker und Syrer sind eins" und "Jetzt wollen wir es brennen lassen". Die Polizei bekam die Lage erst spät am Abend in den Griff.

Ganz im Gegensatz zu dem in der Anklage beschriebenen rabiaten Verhalten erscheinen die vier Männer im Gericht als, soweit man das sagen kann, stinknormale Männer. Zwei von ihnen sind verheiratet, haben Kinder; bevor sie ihre Heimat – Bagdad, Mossul, Aleppo und al-Mallikyia – verlassen haben, arbeitete der eine als Bankangestelter, der andere war im Irak Offizier der Armee. Nach der Zeit in der Erstaufnahme leben sie heute in Lörrach-Brombach, Kressbronn und Obrigheim.

Vom Ergebnis der Verhandlung wird entscheidend abhängen, ob sie eine Zukunft in Deutschland haben. Der Vorsitzende Richter Breucker machte ihnen zum Auftakt das Angebot einer Verständigung. Das würde Zeit und Geld sparen, durch Geständnisse könnten die Angeklagten auf mildere Strafen hoffen.

In der Lea Meßstetten war es auch in den Wochen vor dem massiven Tumult immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, einmal waren die Flüchtlinge sogar mit Eisenstangen aufeinander losgegangen. Ähnliche Streitereien unter Flüchtlingen gab es landauf, landab in den damals chronisch überfüllten Einrichtungen.

Heute ist die Lage deutlich entspannter. Nur noch etwas mehr als 300 Flüchtlinge waren Anfang April in der Meßstetter Lea untergebracht.