Mit einem Dankes-Flyer, den junge syrische Flüchtlinge in Meßstetten verteilt haben, bedankten sich die LEA-Bewohner bei den Bürgern für die gute Aufnahme in Meßstetten. Foto: nil

Kleiner Zettel gegen Vorurteile: Gruppe junger syrischer Flüchtlinge bedankt sich für Aufnahme und entschuldigt sich für Unannehmlichkeiten. Mit Video.

Meßstetten - Es ist ein bisschen kühl, sobald der Wind auffrischt und sich anschickt, hin und wieder durch die Gassen mit den Ständen zu pfeifen. Anfangs nur eine Handvoll, finden sich jetzt immer mehr Passanten auf dem Krämermarkt in Meßstetten ein. Schräg gegenüber eines Essensstandes am Eingang des Marktes steht Dania. Die 29-jährige Syrerin hat einen Packen mit kleinen, DIN A6 großen Flyern in der Hand und verteilt sie an die vorbeigehenden Menschen. Es ist eine Aktion syrischer Flüchtlinge aus der Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) in Meßstetten. "Liebe Meßstetter Bürger und Bürgerinnen, wir sind eine Gruppe junger syrischer Flüchtlinge, die zurzeit in der Lea Meßstetten untergebracht sind. Wir wollen uns herzlich bei allen Deutschen, dem deutschen Staat und besonders den Bürgern Meßstettens für die gute Aufnahme in Ihrem Land und Ihrer Stadt bedanken. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, die Ihnen einzelne Flüchtlinge verursachen, dies tut auch uns sehr leid. Danke Deutschland", steht auf den Flugblättern.

Samir hatte die Idee für das Projekt

"Wir wollen etwas tun und dazu beitragen, dass die Deutschen die Mentalität und Situation der syrischen Flüchtlinge verstehen", erklärt die Computer-Ingenieurin in englischer Sprache. Die Idee für den Flyer und für die Aktion stammt von ihrem Ehemann Samir. Der 27-Jährige und ihre 19-jährige Schwester Maja verteilen ebenfalls an diesem Morgen die kleinen Handzettel. Insgesamt elf Helfer haben sich an der Aktion beteiligt und bereits vergangene Woche einen Großteil der Flugblätter unter die Menschen gebracht. Nun gehen die restlichen Flyer raus. Die Aktion hat sich mittlerweile in Meßstetten herumgesprochen. "Die Resonanz unter den Meßstettern ist zumeist positiv", sagt Streetworker Axel Leukhardt.

Rund 500 Flyer sind gedruckt worden. Samir hatte den Text in englischer Sprache verfasst, gemeinsam übersetzten die Beteiligten ihn ins Deutsche, feilten die Formulierungen aus, kopierten die Handzettel, schnitten sie zurecht und bereiteten die Verteilaktion vor. "Für die Menschen vor Ort sind die vielen Flüchtlinge, die in der Stadt auftauchen, ein Kulturschock, und auch die Asylbewerber fühlen sich fremd, hat es sie doch aus dem Nahen Osten nach Europa verschlagen. Wir wollen deshalb mit unserer Aktion aufklären. Viele von uns sind gebildet und gute Arbeiter, haben eine Universitätsausbildung", betont Dania. "Viele Syrer sind gute Menschen, nur wenige benehmen sich nicht gut", wirbt die 29-Jährige für ihre Landsleute: "Wir mögen Deutschland und sind sehr dankbar, dass die Menschen hier uns eine Chance geben, dass wir hier sein dürfen; wir wollen hier arbeiten und Gutes tun." Es geht darum, Vorurteile abzubauen.

Dania, Samir und Maja sind seit einem Monat in Deutschland. Über den Libanon, in einem kleinen Boot via Mittelmeer, über Griechenland und die Türkei sind sie aus Damaskus geflohen – per Auto und zu Fuß: Zehn Tage benötigten sie von der Türkei aus, bis sie in Deutschland ankamen: "Das war sehr hart, aber wir mussten fliehen, in Syrien wären wir gestorben."

Meßstetter sind zumeist aufgeschlossen

Die Meßstetter Bürger zeigen sich dem Anliegen der jungen Syrer gegenüber zumeist aufgeschlossen. Streetworker Axel Leukhardt findet die Aktion eine "klasse Idee": "Es ist wichtig, dass dieses Projekt von den Flüchtlingen ausging." An diesem Nachmittag stecken die Helfer ihre Flyer auch in die Briefkästen. Das haben sie – aufgeteilt in vier Bezirke – bereits in der vergangenen Woche so gemacht, während eine Gruppe im Zentrum unterwegs war und die Zettel an Passanten verteilte. Diesmal ist die 17-jährige Praktikantin Samira Mayer mit dabei und begleitet die Flüchtlinge.

Nicht alle Besucher des Krämermarkts nehmen ein Flugblatt. Ein Passant meint, dass es sicher kein Fehler sei, wenn die Flüchtlinge auf die Leute zugingen: "Das baut Differenzen ab." Die Frau daneben rät dagegen, dass sich die Asylbewerber eben benehmen sollten. Bernd Hinze vom Stand "Dogan-Socken" findet die Aktion gut: "Diese Menschen sind vollkommen zu recht hier." Dem stimmen auch andere zu, auch wenn Samir etwas traurig ist, dass manche einfach stumm an ihm vorbeigehen und einen Flyer ausschlagen. Die nächste Passantin nimmt einen Zettel, aber sie ist "eher kritisch: Es kommen zu viele, das geht irgendwann nicht mehr; wir können nicht die ganze Welt aufnehmen." Eine andere befürwortet die Aktion: "Die Syrer sind sehr freundlich und nett."

Ebenso offen reagiert Monika Safaric: "Dass die Flüchtlinge zu den Menschen hier Kontakt aufnehmen, ist gut und zeugt von ihrem Interesse an Deutschland und den Leuten." Die jungen Syrer wollen denn auch gerne hier bleiben, arbeiten und weiter studieren.