Diskutieren in Tübingen über ihre Arbeit und ihre Erfahrungen in den vergangenen zwei Jahren in der Meßstetter Lea (von links): Alfred Sauter, Karl Butz, Carina Günay und Moderator Markus Beschorner. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder-Bote

Lea Meßstetten: Macher einer Langzeitdoku und freiwillige Helfer ziehen Bilanz ihrer Arbeit / "Flüchtlinge waren stets freundlich"

In einer Podiumsdiskussion im Sender des SWR in Tübingen haben die Macher einer Webdoku und engagierte Helfer der Meßstetter Landeserstaufnahmestelle über die vergangenen zwei Jahre Bilanz gezogen. Sie berichteten offen über ihre persönlichen Eindrücke.

Meßstetten/Tübingen. Mit auf dem Podium saßen neben Moderator Markus Beschorner auch Alfred Sauter, 58, Ex-Bundeswehrsoldat in Meßstetten, Vereinsaktivist, Gemeinderatsmitglied und Ehrenamtskoordinator der Begegnungsstätte Asyl, Karl Butz, 54, Polizist in der Lea, sowie Carina Günay, geborene Schreyeck, 27, Betreuerin der Flüchtlinge in der Unterkunft. Viele Meßstetter waren ins Studio gekommen, um die Diskussion zu verfolgen.

Anlass für die Podiumsdiskussion war das offizielle Ende einer Langzeitbeobachtung der beiden SWR-Journaistinnen Sandra Müller und Katharina Thoms. Butz, Sauter und Günay gehören zu jenen Protagonisten, die Thoms und Müller mit Block, Kamera und Mikrofon während der vergangenen zwei Jahre eng begleitet haben, um in einer neunteiligen Webdoku Stimmungen, Meinungen und Probleme in der 12 000-Einwohner-Stadt auf der Schwäbischen Alb einzufangen.

Für die Multimedia-Reportage haben die beiden Reporterinnen zahlreiche Preise gewonnen, waren häufig nominiert und werden immer wieder zu Podiumsdiskussionen und Seminaren eingeladen. Gewonnen habe mit der Arbeit der beiden aber auch der Qualitätsjournalismus, sagte Studioleiter Andreas Narr.

Sauter, Butz und Günay berichteten vor dem Mikrofon über ihren Einsatz, erzählten lebendig von vielen kleinen Begebenheiten im Umgang mit den Flüchtlingen und auch über ihre ganz persönlichen Eindrücke bei ihrer Arbeit mit ihnen. Sie stehen für jene insgesamt 150 ehrenamtlichen Helfer, die auch jetzt noch in der Lea als starke, eingespielte Truppe ihren Dienst tun. Derzeit sind nur noch 350 Flüchtlinge in Meßstetten untergebracht, die Lea soll Ende 2017 endgültig geschlossen werden.

Günay, die heute für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) arbeitet, war 2014 die jüngste Mitarbeiterin in der Einrichtung. Sie sollte in der Kantine helfen, in den Zimmern nach dem Rechten sehen und koordinatorische Aufgaben übernehmen. Nicht einfach, als aus 1000 Flüchtlingen auf einmal mehr als 3000 wurden, jedes Zimmer in der ehemaligen Kaserne aus den Nähten platzte und sie die Ankommenden davon zu überzeugen hatte, enger zusammenzurücken. "Ich bin an der Aufgabe gewachsen", sagt Günay.

Für den Vereinsaktivisten und passionierten Fußballer Sauter war das Ballspiel oft der Schlüssel zum Erfolg. "Man braucht keine Sprachkenntnisse, jeder kennt die Regeln, und beim Spiel kommt Begeisterung für eine gemeinsame Sache auf", verriet er sein Erfolgsrezept für Integration. "Am Anfang war es eine Belastung", räumte Butz mit Blick auf die große Sprachbarriere ein, die sich in der Lea zwischen Helfern und Hilfesuchenden auftat. Aber, so attestiert der Beamte, die Flüchtlinge seien immer freundlich gewesen, hätten ihre ersten Deutschkenntnisse mit ihm ausprobiert, ihn begrüßt und seien durchaus respektvoll auf ihn als uniformierten Beamten zugegangen.

Probleme, so Butz weiter, habe es vor allem zu jener Zeit gegeben, als viele Asylsuchende aus dem Balkan in der Lea Aufnahme fanden. Darüber, über Polizeieinsätze und Gerüchte, die in den sozialen Netzwerken aufkamen und denen es sich entgegenzustellen galt, berichteten Thoms und Müller zeitnah und im O-Ton. Sie blickten hinter die Kulissen der Erstaufnahmestelle, berichteten von Euphorie und Ernüchterung.

Was ihnen besonders auffiel: In Meßstetten gab es Macher, die nicht in Problemen dachten, sondern in Lösungen. "Die waren immer sehr pragmatisch, das haben sie uns Tübingern voraus", sagte Thoms.