Daumen hoch für Meßstetten: Peter Altmaier Foto: Eyrich

Strukturwandel im ländlichen Raum thematisiert. Persönliche Dankesworte an Meßstetter.

Meßstetten - Die Herausforderungen des Strukturwandels im ländlichen Raum sind ein Mammut-Thema, über das zu sprechen Bürgermeister Frank Schroft ein "politisches Schwergewicht" zum ersten Bürgerempfang eingeladen hatte: Kanzleramtschef Peter Altmaier überraschte alle.

Erst mal weg mit dem Jackett! Dabei ist es gar nicht so heiß in der Heuberghalle, trotz der vielen Zuhörer beim ersten Bürgerempfang der Stadt Meßstetten. Doch Peter Altmaier hat vor, einen lockeren Abend zu verbringen, wenngleich er über ein schwieriges Thema sprechen soll: den Strukturwandel im ländlichen Raum. Und einem wie ihm wird es schnell warm: "Ein Politiker soll einstehen für seine Überzeugungen, soll bereit sein, damit anzuecken, soll jedenfalls nicht gleich umkippen. Wenn meine physische Erscheinung zu dieser Wahrnehmung meiner Arbeit beiträgt, freut mich das." – Ein passendes Zitat des Kanzleramtsministers, das Bürgermeister Frank Schroft da ausgegraben hat.

"Verzicht auf Wohlstand? Das Modell verkauft sich nicht"

Nicht nur seine physische Erscheinung nimmt Altmaier mit Humor, das wird schnell deutlich: "Ich wünsche Ihnen, dass dieser Bürgerempfang zur Tradition wird, und wenn Sie den 50. feiern, komme ich gerne noch mal vorbei – wenn Sie dann noch Interesse an mir haben."

Bemerkenswert: Wie geschickt der frühere Bundesumweltminister den Strukturwandel mit den Themen Umwelt- und Klimaschutz zu verweben weiß: Wenn mehr als zwei Milliarden Menschen in Indien und China den gleichen Lebensstandard auf Basis desselben CO2-Ausstoßes wollten, gerate das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen. Klimaschutzmodelle, die einen Verzicht auf Wohlstand bedeuteten, seien dort verständlicherweise aber nicht gefragt – nur intelligente Modelle, die beides ermöglichten, seien auf Dauer erfolgreich. "Gerade im ländlichen Raum kann uns das nicht egal sein", betont Altmaier. "Wir müssen dafür sorgen, dass die neuen Industrieländer die Fehler der alten nicht wiederholen."

Die Wertschöpfung habe sich durch den Klimawandel wieder in Richtung ländlichen Raum umgekehrt, etwa durch Biogasanlagen und Windräder, ist Altmaiers Diagnose. "Doch was müssen wir im ländlichen Raum tun, um die Entwicklung zu beherrschen" anstatt umgekehrt?

Gute Arbeitsplätze in Deutschland seien der Schlüssel, denn sie generierten Staatseinnahmen und ermöglichten Investitionen. Fair verteilt müssten sie sein zwischen Stadt und Land, deshalb helfe die Politik den Kommunen dabei, etwa durch schnelles Internet die Nase vorn zu haben.

In puncto Bildungseinrichtungen und Infrastruktur dürfe der ländliche Raum nicht abgehängt werden: "Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir das, was wir tun, nicht am Grünen Tisch entscheiden, sondern Landkreise und Gemeinden mit ins Boot holen – die wissen am besten, was sie brauchen", verspricht er.

Als er auf den Wert von Heimat und Identität zu sprechen kommt, wendet Altmaier sich dem Musikverein Unterdigisheim zu, über dessen Dirigentenpult sein Jackett hängt. Der Sammler und Leser alter Bücher erklärt, wie und warum im einst zersplitterten Deutschland die Vereine entstanden seien, die den Einzelnen "auffangen", und betont: "Wir sollten unseren Ehrenamtlichen nicht nur Dank sagen, sondern sie auch so unterstützen, dass sie ihre Arbeit machen können."

In der nächsten Legislaturperiode wolle die Regierung einen Schwerpunkt setzen auf junge Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen: damit sie sich für Kinder entscheiden und Wohneigentum – "der beste Schutz vor Armut" – erwerben könnten.

Noch ein Schwenk zur Außenpolitik: "Wenn wir den Menschen in" – er wählt das Beispiel Niger – "helfen, tun wir das auch im eigenen Interesse", und die Wahlnacht in England habe ihn darin bestärkt, "dass wir alles daran setzen müssen, dass die Europäische Union Erfolg hat". Diese EU habe Fehler, "aber sie hat uns 60 Jahre Frieden beschert – das ist Nichts, was man mit einem Fußtritt in die Ecke befördern kann."

"Ihr habt geholfen, als Deutschland Euch gebraucht hat – danke!"

Obwohl er noch weiter nach Meßkirch muss und vorher noch am Buffet vorbeischauen will, um sein Gewicht zu halten, nimmt Altmaier sich viel Zeit für ganz persönliche Dankesworte an die Meßstetter – auch im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Ihr habt einen großen Beitrag geleistet, als Deutschland Euch gebraucht hat, und viel mehr Flüchtlinge aufgenommen als es der Größe der Stadt entspricht. All jenen, die sich dafür eingesetzt haben, dass in dieser schwierigen Zeit Probleme gelöst wurden: ganz herzlichen Dank! Das war Arbeit für das Gemeinwohl", sagt Altmaier und blickt in Hunderte strahlender Augenpaare. Das hat gut getan.