Schön, aber unbezahlbar: Wohnen in der Innenstadt von Stuttgart kann sich nicht jeder leisten. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Stuttgart überaltert? Das scheint überholt. Jobs und Ausbildungsplätze locken wieder mehr Junge ins Zentrum, und alle scheuen lange Anfahrtswege. Die Zahl der Single- und Zwei-Personen-Haushalte steigt, in WGs leben mittlerweile auch viele Berufstätige.

Stuttgart - Ein Monatsheft des Statistischen Amts lässt hoffen. „In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 30 Jahren um knapp 20 Prozent auf circa 110 000 Personen angewachsen“, heißt es. Bei etlichen handelt es sich allerdings nicht um Stuttgarter, die hier geboren und geblieben sind. Stuttgart profitiert von einer inzwischen hohen Zuwanderungsrate junger Erwachsener.

50 000 Menschen kommen jährlich nach Stuttgart, mehr als die Hälfte ist zwischen 18 und 30 Jahre alt. „Einer der wichtigsten Gründe für diesen Zuzug ist die gestiegene Bedeutung Stuttgarts als Ausbildungs- und Studienort“, stellt Attina Mäding vom Statistischen Amt der Stadt fest. Die Plätze an Hochschulen und Akademien seien seit 2005 um 20 000 erweitert worden, heute stünden rund 61 000 Studienplätze zur Verfügung. Hinzu kämen Berufseinsteiger, die das urbane Leben dem Landleben vorzögen.

Familienclans schrumpfen zum Paar

Diese Entwicklung wird von den Fachleuten zwar als erfreulich eingestuft, sie kann allerdings die zu erwartende Überalterung nicht gänzlich auffangen: Die Babyboomer-Generation, also die Gruppe der zwischen 1960 und 1970 Geborenen, überwiegt immer noch deutlich. Auch der seit 2014 nochmals deutlich gestiegene Zuzug junger Menschen insbesondere aus dem Ausland könne die Alterung also nur verlangsamen. Zum 31. Dezember 2015 lebten rund 34 000 Menschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren mit ausländischer Staatsangehörigkeit in der Stadt.

Ende Juli 2016 hatte Stuttgart rund 607 000 Einwohner. Sie leben in insgesamt 323 370 Haushalten, das sind fast 20 000 mehr als noch vor zehn Jahren. Ein- und Zweipersonenhaushalte dominieren laut Statistik deutlich die Nachfrage. Knapp 51 Prozent der Stuttgarter Haushalte, zum Stichtag 30. Juni 2016 insgesamt 166 893, sind Single-Haushalte. Ihre Zahl stieg zwischen 2010 und 2015 um 9,4 Prozent. Etwa ein Viertel aller Haushalte sind Zwei-Personen-Haushalte.

Der Trend zu kleinen Haushaltsgrößen ist bei jungen Menschen unter 30 Jahren ungebrochen. Innerhalb von zehn Jahren haben weitere 6000 junge Menschen einen Single-Haushalt gegründet, 2000 weitere Zwei-Personen-Haushalte kamen hinzu. Der Anteil der Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte liegt in der Stadt inzwischen bei mehr als 17 Prozent. An zweiter Stelle der Zuwachsskala liegen Ein-Personen-Haushalte, in denen 45- bis 60-Jährige leben: Im Jahr 2006 waren es noch 28 500, zum Ende des ersten Halbjahrs 2016 rund 34 250. „Sie fallen nach Auszug ihrer Kinder zum Teil auch in die Gruppe der kleinen Haushalte zurück“, erklärt Attina Mäding, „während junge Familien angesichts des dauerhaft angespannten Wohnungsmarktes zunehmend ins Umland abwandern.“

Mitten im Geschehen leben

Hohe Mieten beflügeln offenbar auch die Wohngemeinschaftskultur. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Moses-Mendelssohn-Instituts (MMI) in Berlin, das Gutachten und Studien zur Stadt- und Regionalentwicklung erstellt. In Zusammenarbeit mit WG-Gesucht.de, einem Portal zur Vermittlung von WG-Zimmern und Mietwohnungen, wurden in sieben Metropolen, darunter Stuttgart, Zahlen über die Standortwünsche der zuziehenden 25- bis 30-Jährigen erhoben. Demnach stünden insbesondere Stadtteile hoch im Kurs, die zentral und nah an öffentlichen Verkehrsmitteln liegen, wo Nahversorgungs- und Freizeitangebote gut erreichbar sind. „Junge Leute wollen nach dem Ende des Arbeitstags Zeit- und Organisationsaufwand sowie lange Anfahrtswege vermeiden“, konstatiert Stefan Brauckmann, der Direktor des Instituts.

Laut Studie liegen die attraktivsten Gebiete für junge Menschen südwestlich und östlich der Stuttgarter Stadtmitte. Der Hölderlinplatz, der Feuersee, der Vogelsang und die Rosenbergstraße gehören laut MMI zu den „besonders von jungen Menschen geprägten“ Wohngebieten. Standortfaktor für junge Leute seien außerdem attraktive Angebote von Wohngemeinschaften, so das Institut. In Stuttgart liege der Anteil der zuziehenden Berufstätigen, die ein WG-Zimmer suchten, bei etwa 40 Prozent. Die meisten 25- bis 30-jährigen Bewohner hingegen leben laut MMI in Ostheim (1303 Personen), Heslach (1199) und in Gablenberg (1023). Das könnte an der vom Institut ermittelten Durchschnittsmiete liegen: Im Westen bezahle man monatlich zwischen 475 und 395 Euro für ein WG-Zimmer, im Osten hingegen um die 380 Euro.