Betreuen die Kleinen der Villa Rumpelpumpel im Stuttgarter Westen: Dominik Hohenschläger (rechts) und Florian Scherb. Foto: Jan Reich

Stuttgart ist nach Freiburg die Stadt mit den meisten männlichen Erziehern in Baden-Württemberg. In Zukunft werden es noch mehr, verspricht die Stadt. Doch noch immer gibt es Vorurteile gegenüber Männern in Kitas.

Stuttgart ist nach Freiburg die Stadt mit den meisten männlichen Erziehern in Baden-Württemberg. In Zukunft werden es noch mehr, verspricht die Stadt. Doch noch immer gibt es Vorurteile gegenüber Männern in Kitas.

Stuttgart - Vier Jahre ist es nun her, dass das Bundesfamilienministerium forderte: Deutschland braucht mehr Männer in Kitas. Seitdem hat sich einiges getan. In Stuttgarts Kitas stieg der Anteil an Männern im Erzieherberuf von 4,8 Prozent im Jahr 2008 auf 7,2 Prozent im Jahr 2013. Das entspricht einer Zahl von rund 300 männlichen Erziehern.

Ende des vergangenen Jahres lief das Projekt aus. „Zwischen 2010 und 2013 konnten wir die Zahl unserer Erzieher sogar verdoppeln“, zieht Heinrich Korn, der stellvertretende Leiter des Stuttgarter Jugendamts, Bilanz. 131 Männer arbeiten derzeit bei der Stadt, mit steigender Tendenz. Auch die kirchlichen und privaten Einrichtungen verzeichnen steigende Zahlen.

In Baden-Württemberg ist das Unternehmen Konzepte als Koordinationsstelle zuständig für das Programm „Mehr Männer in Kitas“. Konzepte warb regelmäßig mit Plakaten, bei Besuchen in Schulklassen und beim Boys’ Day, dem Pendant zum Girls’ Day, um die Männer. Um ihnen den Berufseinstieg schmackhafter zu machen, eröffnete Konzepte eine duale Fachschule für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Jugend- und Heimerziehung.

Anderer Blickwinkel für pädagogische Arbeit

Im ersten Jahrgang, der im September 2011 startete, waren vier der 13 Fachschüler Männer. Dass der Anteil noch weiter wächst, sei wichtig, sagt Heinrich Korn vom Jugendamt, denn „Männer haben einfach einen anderen Blickwinkel für pädagogische Arbeit“.

Das glaubt auch die Erzieherin Lucia Drewitz von der Villa Rumpelpumpel, einer privat geführten Kita im Stuttgarter Westen: „Die Männer sind beim Laubsägen besser“, sagt sie, „aber vor allem für die Identifikationsbildung der Jungs sind sie ohne Zweifel eine wichtige Bereicherung.“ In der Einrichtung, wo 30 Kinder im Alter zwischen ein und sechs Jahren betreut werden, arbeiten gleich zwei männliche Erzieher. Florian Scherp (26) ist angehender Kindererzieher im Anerkennungspraktikum. Dominik Hohenschläger (36) arbeitet schon seit Jahren mit Kindern. „Heutzutage gibt es viele alleinerziehende Frauen“, sagt Hohenschläger, „da ist es wichtig, dass die Kinder eine männliche Bezugsperson haben.“

Der Anteil männlicher Erzieher liegt in Stuttgart weiterhin deutlich unter dem Ziel von 20 Prozent, das die Bundesregierung langfristig anstrebt. Jens Krabel, Projektleiter der Koordinationsstelle bei Konzepte, sagt: „Männer fühlen sich einfach nicht wohl in dem Rollenbild als Erzieher. Für einen Jugendlichen, der sich mit seinen Kumpels vergleicht, die alle Mechaniker oder Elektrotechniker werden, ist das eine große Hürde.“ Auch die Bezahlung sei nach wie vor zu niedrig und reiche nicht, um eine Familie zu ernähren. Und dann gebe es noch etwas: „Man kann schon sagen, dass es einen Generalverdacht des sexuellen Missbrauchs gibt“, sagt Krabel. „Auch, wenn der haltlos ist.“

Erste Vorbehalte gibt es fast immer

Tatsächlich: Nicht bei allen Eltern in der Villa Rumpelpumpel war das Vertrauen in die Erzieher von Beginn an uneingeschränkt: „Am Anfang habe ich sie genau beäugt“, sagt Mutter Catrin Hanke. „Vor allem, wenn es ums Wickeln geht, ist man wohl etwas vorsichtiger als bei Frauen.“ Mittlerweile habe niemand mehr Vorbehalte.

Thematisieren müsse man das auf jeden Fall, sagt Heinrich Korn vom Jugendamt: „Vor allem in bildungsschwächeren Bezirken gibt es Einzelfälle, in denen Väter skeptisch sind.“ Ahmad Ibrahim ist nur ein Beispiel. Ein männlicher Erzieher betreut seine Tochter in der städtischen Kita am Wildgansweg in Neugereut. „Ich hatte anfangs Angst, dass er zu streng mit meiner Tochter ist“, sagt der gebürtige Syrer Ibrahim.

Heinrich Korn beruhigt besorgte Eltern, indem er die Regeln in den städtischen Kitas erläutert: „Kinder in unseren Einrichtungen dürfen nicht in unbeaufsichtigten Einzelsituationen mit Erziehern sein“, sagt er. „Das schließt auch Erzieherinnen ein, denn auch Frauen dürfen Kindern natürlich keine Ohrfeigen geben.“

20 Prozent Erzieher in Kitas sind das Ziel der Regierung, „30 Prozent wären noch besser“, sagt die Geschäftsführerin von Konzepte, Waltraud Weegmann. Erreichen könne man diese Zahl in fünf bis zehn Jahren, glaubt sie. „Wichtig ist, dass wir jetzt versuchen, die Quereinsteiger zu werben.“ Derzeit entwickle man dafür Konzepte. Die Männer würden das immer jüngere Durchschnittsalter der Erzieherinnen und Erzieher wieder etwas anheben.

„Außerdem ist es im Sinn einer pädagogischen Vielfalt interessant, wenn Biologen, Schreiner oder Ingenieure sich zu Erziehern umschulen lassen“, sagt Weegmann. Auf einem guten Weg sieht sie das Projekt jetzt schon: „Die Steigerung der vergangenen Jahre ist ein guter Schritt“, sagt sie. Darauf müsse man nun aufbauen.

Moderne Rollenbilder sollen vermittelt werden

In den Einrichtungen der Katholischen Kirche hat sich die Zahl der männlichen Erzieher in den vergangenen vier Jahren von 14 auf 19 gesteigert. Auch dort gibt es selten Verunsicherung. „In Elternabenden zeigt sich eher Begeisterung, wenn es einen neuen männlichen Erzieher gibt“, sagt Michael Walter, der Leiter des Kinderhauses Regenbogen im Stuttgarter Westen.

Er sieht ein anderes Problem. Fünf der Männer sind, wie Walter selbst, als Einrichtungsleiter tätig. „Das ist genau das Rollenbild, das wir den Kindern nicht vermitteln wollen“, sagt er. Wichtig sei, dass Kinder moderne Rollenbilder vermittelt bekommen, und das funktioniere nur, wenn Mann und Frau gemeinsam daran arbeiteten. Walter: „Das ist in Kitas so, aber auch in der Grundschule.“