Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bahnchef Rüdiger Grube (rechts). Foto: dpa

In einem Brief an Bahnchef Grube kritisiert die grün-rote Landesregierung das Unternehmen wegen des mangelhaften Brandschutzes im geplanten Tiefbahnhof Stuttgart 21.

Stuttgart - Nach Bekanntwerden von Mängeln im Brandschutzkonzept für Stuttgart 21 hat die grün-rote Koalition unverzügliche Aufklärung gefordert. „Schutz von Leib und Leben genießen für die Landesregierung höchste Priorität“, hieß es in einem Brief der Landesregierung an Bahnvorstand Rüdiger Grube vom Donnerstag. Damit reagierten Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) auf eine über die Medien veröffentlichte Expertise der Schweizer Firma Gruner AG.

"Der Umstand, dass wir - Ihre Projektpartner von Stuttgart 21 - von dem Gutachten und seinem Ergebnis erst heute und dazu noch aus der Presse erfahren, sorgt bei der Landesregierung für erhebliche Irritation", heißt es in dem Brief weiter.

Laut Gutachten liegt kein genehmigungsfähiges Konzept für den Brandschutz im geplanten Tiefbahnhof und den Tunnelstrecken vor. „Wir erwarten von der Deutschen Bahn, dass die Landesregierung über das Brandschutzgutachten, dessen Hintergründe, das von der Deutschen Bahn geplante weitere Vorgehen und über die zeitlichen sowie kostenmäßigen Implikationen unverzüglich, vollständig und umfassend aufgeklärt wird“, hieß es. Auch die Grünen-Fraktion forderte mehr Transparenz. Fraktionschefin Edith Sitzmann warnte die Bahn, die Probleme herunterzuspielen.

Bahn: Sicherheit oberstes Gebot

Die Bahn betonte indes, Sicherheit habe für sie oberste Priorität. Aufgrund neuer Brandschutzauflagen des Eisenbahn-Bundesamtes im Jahr 2010 werde das ursprüngliche Brandschutzkonzept überarbeitet, hieß es in einer Mitteilung des S-21-Kommunikationsbüros vom Donnerstag. Die Bahn habe zum aktuellen Arbeitsstand im Sommer dieses Jahres eine externe Expertise in Auftrag gegeben; diese hatte massive Mängel beim Evakuierungs- und Entrauchungskonzept beleuchtet.

S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich sagte in Stuttgart: „Die Überprüfung des Brandschutzkonzeptes ist ein ganz normaler Vorgang bei Bauprojekten dieser Dimension. Wir werden daraus die nötigen Schlüsse ziehen.“ Man werde sich mit den Experten der Brandschutzbehörden und der Feuerwehr an einen Tisch setzen und ein gemeinsames, tragfähiges Konzept erarbeiten, das dann zur Genehmigung vorgelegt werde.

Schuster, Kuhn und Turner besorgt

Der scheidende Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) betonte: „Brandschutz in den Tunneln und im neuen Hauptbahnhof hat für die Stadt oberste Priorität. Hier gibt es für mich keinen Spielraum.“ Er und die Experten der Feuerwehr würden der Bahn ganz genau auf die Finger schauen.

Der Grünen-Politiker Fritz Kuhn, Sieger des ersten Wahlgangs bei der OB-Wahl am vergangenen Sonntag, sagte, die Bahn habe die Notwendigkeit eines guten Brandschutzkonzeptes seit der Schlichtung nicht ernst genug genommen. „Das rächt sich jetzt. Soviel hätte man eigentlich vom Chaos am Berliner Flughafen lernen können. Das alles wird viel Geld kosten.“ Die Bahn müsse die Mehrkosten tragen.

Kuhn schärfster Konkurrent, der Unternehmer Sebastian Turner, der von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützt wird, verlangte von der Deutschen Bahn rasche Nachbesserungen. „Bei der Sicherheit darf es an keiner Stelle Mängel geben.“

BUND fordert Baustopp

Der Naturschutzverband BUND fordert indes einen sofortigen Baustopp für das Milliarden-Vorhaben. „Es dürfen keine weiteren Fakten geschaffen werden, die zur faktischen Unumkehrbarkeit des Projektes führen“, sagte Landeschefin Brigitte Dahlbender am Donnerstag in Stuttgart. „Vor allem muss die Bahn auf weitere Baumfällarbeiten verzichten.“ Es stelle sich die Frage, ob die Bahn das Projekt überhaupt im Griff habe.

Sie erinnerte an Änderungen am Grundwassermanagement, „Planungschaos“ auf den Fildern, technische Mängel im Gleisvorfeld. „Aus unserer Sicht ist die technische Realisierbarkeit von Stuttgart 21 massiv infrage gestellt“, betonte Dahlbender.

In dem Gutachten wird auf eklatante Mängel beim S21-Brandschutzkonzept hingewiesen. So würde die Evakuierung des Tiefbahnhofs im Katastrophenfall viel zu lange dauern, zudem seien die Fluchtwege zu lang und zu schmal.