Verdi-Landeschefin Leni Breymaier kritisiert alle Südwest-Landtagsfraktionen wegen deren „machohaften Verhaltens“. Foto: dpa

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Was nach einer Selbstverständlichkeit klingt, ist in Baden-Württembergs Landtag aber noch nicht erkennbar: Dort sind Frauen eine deutliche Minderheit. Eine Gewerkschafterin macht ihrem Unmut darüber Luft.

Stuttgart - Ob Grün, Rot, Gelb oder Schwarz - aus Sicht von Verdi-Landeschefin Leni Breymaier leiden alle Fraktionen in Baden-Württembergs Landtag unter Männerdominanz. Das „machohafte Verhalten“ in den Fraktionen der Grünen, SPD, FDP und CDU habe dazu geführt, dass Frauen im Landtag auch künftig stark unterrepräsentiert sein werden, sagte Breymaier. Nicht nur die ohnehin arg männerlastigen Fraktionen der CDU und FDP, sondern auch Grüne und SPD nahm Breymaier ins Visier. „Die Kritik gilt allen.“

Baden-Württemberg ist beim Thema Frauenanteil im Landtag Schlusslicht in Deutschland - er liegt bei nur 20,3 Prozent. „Das wird noch schlimmer, nach der Wahl 2016 sinkt das auf 15 Prozent - jede Wette“, sagte Breymaier. Selbst Afghanistans Parlament schneide besser ab. Tatsächlich liegt der Parlamentarierinnen-Anteil in Kabuls Volksvertretung bei 27,7 Prozent, gut sieben Prozentpunkte mehr als in Stuttgart. Saudi-Arabiens Parlament liegt mit 19,9 Prozent übrigens etwa auf dem Frauenanteils-Niveau von Baden-Württemberg.

Frauen ziehen oft den Kürzeren

Ein Grund für die niedrigen Werte ist das Südwest-Wahlrecht, demzufolge die Mandate für die Volksvertretung über zwei verschiedene Stränge vergeben werden. Direkt einziehen können die Sieger eines Wahlkreises. Aber auch, wer im Wahlkreis mit einer relativ hohen Prozentzahl verloren hat, kann noch ins Parlament kommen - davon profitieren SPD, Grüne und Liberale, die in den meisten Wahlkreisen keine Chance gegen den CDU-Platzhirschen haben. Bei der Vergabe der Spitzenkandidatur in aussichtsreichen Wahlkreisen wiederum ziehen Frauen oft den Kürzeren, moniert Breymaier - dies liege eben an einer Männerdominanz in allen vier im Landtag vertretenen Parteien.

Gäbe es eine Landesliste, so ihre Überlegung, wäre das Geschlechterverhältnis im Parlament deutlich besser. „Dann könnten die Parteien auf ihren Listen die Proportion zwischen Männern und Frauen, Juristen und Krankenschwestern, Alteingesessenen und Migranten geraderücken“, sagt Breymaier. Weil dies aber nicht der Fall sei, habe man „einen Männerclub mit weißen, christlichen Herren gehobenen Alters“.

Breymaier ist auch Vizechefin der SPD-Partei. Mit ihrer Kritik berührt sie eine Art wunden Punkt der Südwest-Sozialdemokraten. Als Partei nämlich ist die SPD für einen Wechsel hin zum Zwei-Stimmen-Wahlrecht - so zumindest besagt es ein noch gültiger Parteitagsbeschluss von 2013. Die SPD-Fraktion hingegen findet die bisherige Wahlpraxis gut. Ihr Argument: Die Abgeordneten haben eine stärkere Bindung an ihren Wahlkreis als wenn sie über eine Liste in die Volksvertretung eingezogen wären. So sieht es auch die CDU. Grüne und Liberale sind zwar pro Reform, doch das reicht nicht zur Mehrheit.

Um zu untermauern, wie gut eine Liste für die Förderung von Frauen wäre, verweist Breymaier auf die Europawahl. Bei der Wahl hatten Sozialdemokraten und Grüne ihre Listen so festgelegt, dass zur Hälfte Männer und Frauen ins Parlament kamen. Die CDU/CSU hatte hingegen keine bundesweite Liste. Ergebnis: 27 Männer und nur 7 Frauen vertreten die Union in Straßburg.

Breymaier ist mit Forderung nicht allein

Mit ihrer Forderung nach einer Reform des Südwest-Wahlrechts ist Breymaier nicht allein. Kürzlich hatte sich auch der Landesfrauenrat für eine Neuregelung starkgemacht, das Bündnis ist für eine Kombination aus Direkt- und Listenkandidaten.

In der Wirtschaft wird das Thema Wahlrechtsreform als Mittel für einen höheren Frauenanteil im Landtag verhalten aufgenommen. Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, sagte, es dürfe in der Politik generell kein „Gender-Maßstab“ angelegt werden. Vielmehr müsse sich der beste Kandidat durchsetzen, egal welchen Geschlechts.