Beate Arnold (links) und Beth Föll gehören zu den helfenden Händen hinter der Kleiderkammer Betzweiler. Ein ganzes Team hat sich hier gefunden, um Flüchtlinge mit dem Notwendigsten zu versorgen. Foto: Eberhardt

Flüchtlinge: Bedarf an Unterstützung ist groß. Ehrenamtliche Helfer stehen für Nächstenliebe und Menschlichkeit.

Loßburg-Betzweiler-Wälde - Nächstenliebe, Wärme, Menschlichkeit sind die populären Schlagworte zu Weihnachten. Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer der Region nehmen sich diese seit Monaten praktisch zu Herzen – ein Besuch in der Kleiderkammer.

 "Mann oder Frau?" Beth Föll wirft einen abschätzenden Blick auf eine Hose. "Mann", entscheidet ihre Kollegin Beate Arnold. Mit zwei flinken Handbewegungen landet die Hose im Warenregal, auf dem Tisch stapeln sich weitere Kleidungsstücke zum Verräumen. Ein gewohnter Anblick in einem Kleiderladen – nur dass hier zwei ehrenamtliche Helferinnen am Werk und der Laden zwei improvisierte Räume im alten Rathaus Betzweiler sind. Hier ist eine der vielen Kleiderkammern im Kreis zuhause, und diese hat sich von einem improvisierten Versorgungsangebot für Flüchtlinge zu einem wichtigen Bezugspunkt entwickelt.

Jeden zweiten Mittwoch im Monat um 15 Uhr öffnet die Kammer ihre Türen. Anfangs ist es noch ruhig. Drei junge Afrikaner sind still hereingekommen und in das Zimmer für Herrenkleider abgebogen. Ihre Plastiktüten sind bald prall gefüllt. Sie gehen zügig, aber zielgerichtet durch die Auslage, jedes Kleidungsstück kostet einen Euro. Ein symbolischer Preis, der aber seine Wirkung nicht verfehlt, wie Beth Föll weiß: "Sonst nehmen die Leute einen Riesen-Stapel mit und werfen ihn dann weg." Von dem Erlös wird wieder Kleidung gekauft. Meist neue Unterwäsche oder Kinderkleider. Denn die Spendenbereitschaft der Bürger ist sehr groß, aber europäische Schnitte und afrikanische oder orientalische Staturen passen nicht immer zusammen. Einer der drahtigen Flüchtlinge zieht ein BVB-Trikot aus dem Regal – er könnte sich zweimal darin einwickeln.

Mit der Ruhe ist es eine Viertelstunde später vorbei. Eine Autokolonne hat vor der Tür gehalten – Freiwillige des Freundeskreises Asyl Loßburg, die Fahrdienste nach Betzweiler anbieten. Viele Helfer und Flüchtlinge kennen sich, es herrscht großes "Hallo", man erkundigt sich nach Schicksalen und Befindlichkeiten, viele der Flüchtlinge helfen, Kartons mit Spenden hereinzutragen. Im Flur, der zugleich als Schuhauslage dient, steht eine Helferin und lotst die Ankommenden: Männerabteilung links, Frauen- und Kinderabteilung rechts.

Koffer und Decken sind bei den Kunden begehrte Güter

Beim Start war die Kleiderkammer noch das, was der Name verspricht: eine einzelne Kammer, die aber rasch zu klein war. "Wir haben hier teils 30 bis 40 Leute durchgeschleust", erzählt Günter Lange, einer der Helfer vom Freundeskreis Asyl. Aus einem Zimmer wurden daraufhin zwei, der Bauhof stellte Schränke auf, und die Betzweiler Bürger füllten die Auslage. Mit Kleidung, Spielzeug, Decken und was sonst noch gebraucht wurde.

Ein weiterer Helfer steckt den Kopf herein: "Ich habe einen Koffer mitgebracht." Dieser ist neben Decken ein begehrtes Gut – viele Flüchtlinge wissen nicht, wo es sie morgen hin verschlägt. Zwei junge Mütter mit kunstvoll gesteckten Kopftüchern begutachten Schals, die entlang der Wand aufgehängt sind. Eine Helferin trägt derweil mit sichtlichem Spaß eines der Kinder durchs Haus, die andere leistet Übersetzungsdienste. "Children", erklärt sie einer der Frauen und zeigt auf eine Schrankwand mit Kleidung, Schuhen, Spielzeug – und zwei gewöhnlichen Dingen, die im Flüchtlingsbedarf hervorstechen wie Blumen aus der Sturmwurffläche: ein Paar Rollerblades und Kinderski.

Grenzen verwischen: Wer ist Einheimischer und wer Flüchtling?

Die Fahrer haben derweil dem Trubel Platz gemacht und plaudern vor der Tür. Die Flüchtlinge, die ihren Bedarf gedeckt haben, schlendern dazu. Ein Vater läuft seinem kleinen Sohn hinterher, der auf Entdeckertour die Straße hinunterhüpft, die Umstehenden lächeln. Grenzen verwischen, wer ist Einheimischer und wer Flüchtling? Stellenweise verrät es nur die Sprache, auch in Loßburg und Betzweiler haben die Bürger ihre Arme weit geöffnet, um den fremden Menschen Platz zu geben.

"Auch Leute, die man zuerst gar nicht im Blick hatte", sagt Helfer Joachim Kraus und erzählt von einer älteren Nachbarin des Flüchtlingsheims, die zuerst Angst vor den vielen Fremden hatte. "Jetzt backt sie immer einen Kuchen für das Asylcafé." "Man muss ihnen helfen", erklären Manfred Bürkle und Günther Lange, beide Rentner, entschlossen. "Es sind Menschen wie wir."

Bald darauf sind die ersten Autos erneut bis zum letzten Platz gefüllt. "Ich muss schauen, dass ich wieder so viele mitnehme, wie ich hergebracht habe", sagt Manfred Bürkle und lacht. Der Bedarf an Unterstützung ist groß – und wenn es nur nach einem Platz im Helfer-Shuttle zur Kleiderkammer ist.