Sarah Müssigmann und Barbara Schubert verbrachten fünf Wochen bei den Müllkindern von Escuintla

Von Alexandra Alt

Loßburg. Erschüttert, berührt, verbunden – noch immer sitzen die Gefühle bei Barabara Schubert und Sarah Müssigmann (28) ganz tief. Vier Monate waren sie in Guatemala, weil sie helfen wollten. Fünf Wochen verbrachten sie bei den Müllkindern von Escuintla. Fünf Wochen, die die beiden jungen Frauen für ihr weiteres Leben geprägt haben.

Die beiden Loßburgerinnen kommen aus sozialen Berufen. Schubert war Jugend- und Heimerzieherin in der Villa Sonnenheim und studiert nun Soziale Arbeit an einer Dualen Hochschule, Müssigmann ist Sozialarbeiterin und arbeite als Bewährungshelferin bei der Initiative Neustart. Beide haben schon viel Leid, Verwahrlosung und Gewalt gesehen. Doch beim Anblick der Bilder, die sie während ihres Aufenthalts beim Projekt "Building Guate" gemacht haben, treibt es ihnen Tränen in die Augen. Abgebildet sind Menschen – vor allem Kinder – die auf einer riesigen bis zum Horizont reichenden Müllkippe nach Verwertbarem suchen. Kinder, die barfuß über den sich zersetzenden Müll laufen, ein Kind das mit toten Ratten spielt – oder eingehüllt vom Rauch eines sich entzündenden Müllhaufens ein Baby in den Armen hält. Es sind Bilder, wie sie aus einem Endzeitdrama stammen könnten, und doch sind sie real.

"Die Menschen dort leben auf der Müllkippe, bringen dort ihre Kinder zu Welt, wachsen dort auf", erzählt Schubert. Die Meisten kennen nichts anderes. Das Projekt "Building Guate", bei dem die beiden Deutschen auf eigene Faust mitarbeiteten, kauft Grundstücke im Umkreis der Müllhalde, und hilft den Müllmenschen dort Häuser zu bauen. Mitarbeiter des Projekts verteilen Essen und kümmern sich um Schuluniformen, ohne die die Kinder nicht die Schule betreten dürfen. "Das ist alles ein bisschen seltsam. Es muss doch gewährleistet sein, dass die Kinder die Schule besuchen können", sagt Schubert. Die Schule des Bezirks stehe finanziell vor dem aus, weil die guatemaltekische Regierung sich nicht interessiere. Und selbst im nahegelegen 10 000 Einwohner zählenden Escuintla weiß kaum einer von den Müllmenschen. Außer den Initiatoren des Projekts, scheint niemand das Elend wahrzunehmen.

"Das Projekt gibt den Menschen eine Perspektive", erzählt Schubert. Doch dazu bräuchte man erst einmal so etwas wie Träume. "Die Kinder dort wollen Müllsammler werden, wenn man sie fragt." Erst als Barabara Schubert und Sarah Müssigmann mit ihren Schützlingen die Stadt besuchen, sei da etwas aufgebrochen. "Die Kinder strichen mit den Händen ehrfurchtsvoll an den Fassaden entlang", erzählt Schubert. Als hätten sie so etwas wie Putz zum ersten Mal gesehen.

Dabei gibt es diesen auch an der Schulfassade – und die ist Dank des Engagements der beiden Deutschen schöner den je. Müssigmann und Schubert bemalten eine Schulwand gemeinsam mit Kindern der Mülldeponie, die noch nie zuvor gemalt hatten. "Wir wollten Farbe an diesen Ort bringen", sagt Schubert. Dabei heraus kamen zwei Mandalas – eines trägt sogar das Loßburg-Logo – die die Kinder noch lange an den Besuch aus Deutschland erinnern werden.

Gelernt haben nicht nur die Kinder, gelernt haben auch die beiden engagierten Loßburgerinnen. "Dankbarkeit", fällt Schubert ein. "Bewusstsein über mein gutes Leben, das ich in Deutschland führen darf", betont Müssigmann. Die Hände in den Schoß legen und sich noch eine Weile vom guten Gefühl, geholfen zu haben, tragen lassen, kommt den jungen Frauen gar nicht erst in den Sinn. Sie wollen dran bleiben und in Loßburg und dem Kreis Verbündete suchen. Sie fühlen sich in der Pflicht, denn die Müllkinder von Escuintla haben ihr Herz berührt – und es behalten.