Heimatgeschichte: Historiker Jörg Waßmer erinnert an Kilian Götz

Zum 75. Mal jährt sich am Samstag, 16. Dezember, der Tag, an dem für Kilian Götz aus Löffingen die "exemplarische Bestrafung" und damit der Tod im Konzentrationslager beschlossen wurde.

Löffingen. Der Kleinkrimelle wurde ein Opfer der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten. Sein Schicksal möchte der Historiker Jörg Waßmer nun öffentlich machen. "Kilian Götz ist wohl der einzige Löffinger, der im Konzentrationslager zu Tode kam", sagt Waßmer, der selbst aus Löffingen stammt. Er hat die Hintergründe, die damals zum Tode des Löffingers führten, erforscht. In Löffingen wird Waßmer das Ergebnis seiner Recherche bei einem öffentlichen Vortrag am 9. Januar um 19 Uhr in der Tourist-Information vorstellen.

Der Kleinkriminelle wurde 1897 in Löffingen geboren und verbrachte dort seine Kindheit und Jugend. Er wuchs bei seinen Großeltern in der Vorstadtstraße auf. In den 1920-er Jahren lebte er mehrere Jahre in Freiburg, später auch im Allgäu. "In Seppenhofen wohnten seine Mutter und seine Halbgeschwister, so dass Löffingen für ihn Zeit seines Lebens ein wichtiger geografischer Bezugspunkt, ja Heimat blieb", so Waßmer. Götz war sicherlich kein ungeschriebenes Blatt. Seit seinem 22. Lebensjahr war er mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Wegen kleinerer Diebstahls- und Betrugsdelikte musste er verschiedene Haftstraßen verbüßen.

Am 27. Februar 1942 stand der gebürtige Löffinger Götz erneut vor Gericht. Nun verurteilte ihn das Landgericht Ravensburg wegen sechsfachen Betrugs im Rückfall zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren und ordnete die anschließende Sicherungsverwahrung an, eine zeitlich unbefristete Haft. "Möglich gemacht hatte dies ein Gesetz, das die Nationalsozialisten im November 1933 erlassen hatten. Das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung", erklärt Waßmer.

Die Presse begrüßte das Urteil. Das "Stuttgarter Neue Tagblatt" druckte darüber einen Artikel mit der Überschrift "Ein Erzgauner unschädlich gemacht". Weiterhin stand in der Zeitung zu lesen, dass das Gericht einen Schlussstrich unter die Verbrecherlaufbahn des 44-Jährigen gezogen habe.

"Schon die Überschrift ist ein Beispiel für die Verrohung der Sprache. In dem Ausdruck ›unschädlich gemacht‹ steckt, dass es sich um einen Schädling handelte", unterstreicht der Historiker. "Volksschädling" sagten die Nationalsozialisten dazu. "Diese Metapher diente zur Entmenschlichung und weckte Assoziationen bis hin zur Schädlingsvernichtung", verdeutlich Waßmer.

Der Blick ins Stadtarchiv brachte den Brief eines besorgten Bürgers zutage. Der Briefschreiber wandte sich aus Stuttgart, wo er arbeitete, an Bürgermeister Andris. Er machte sich Sorgen um das Ansehen seiner Heimatgemeinde. Da in der Zeitung allerdings der Name falsch geschrieben war und aus Kilian Götz ein Kilian Gölz wurde, witterte er eine Verwechslung. "In Löffingen gibt es doch gar keinen Kilian Gölz! Ich sehe nicht ein, dass die Stadt Löffingen durch dieses Subjekt in Misskredit gebracht werden soll". Man müsse den Stuttgarter Redakteuren klar machen, dass Löffingen "anständig" sei.

Nach seiner Verurteilung kam Kilian Götz zunächst in das Strafgefangenenlager Börgermoor im Nordwesten Deutschlands, des dem Reichsministerium der Justiz unterstand. Am 18. September 1942 vereinbarten der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, und Reichsjustizminister Otto Georg Thierack, dass sicherungsverwahrte Häftlinge von der Justiz an die Konzentrationslager der SS zur "Vernichtung durch Arbeit" ausgeliefert werden.

"Für Kilian Götz wurde diese exemplarische Bestrafung am 16. Dezember beschlossen", recherchierte Waßmer. Am 6. Januar 1943 wurde Kilian Götz in das Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg verschleppt. "Neun Tage später, am 15. Januar 1943, war er tot", so Waßmer abschließend.