Die Eugen-Bolz-Villa – oben, Bildmitte – vom Hauptbahnhof aus fotografiert Foto: Lichtgut/Volker Hoschek

Die Bolz-Villa am Killesberg darf nicht kommentarlos fallen. Dazu bringt die Villa in Stuttgart zu viele Erinnerungen mit sich.

Stuttgart - Eugen Bolz und Stuttgart – das ist eine ebenso eindrucksvolle wie traurige Geschichte. Eine Geschichte von Aufstieg und Fall, von aufrechtem Gang und Niedertracht. Hier in Stuttgart rückte der gebürtige Rottenburger in der Zeit der Weimarer Republik als Mitglied der katholischen Zentrumspartei in höchste politische Ämter auf. Ebenfalls in Stuttgart wurde der tiefgläubige Christ und entschiedene Gegner der Nationalsozialisten 1933 aus seinem Amt als württembergischer Staatspräsident gedrängt. Auf dem Weg ins Gefängnis auf dem Hohen asperg bewarf ihn der bestellte Nazi-Pöbel vor der Gestapo-Zentrale im Hotel Silber mit Pferdemist und faulen Eiern.

Von dem Menschenauflauf existiert eine berühmte Aufnahme. Fotos gibt es auch von dem Schauprozess, den der „Blutrichter“ Roland Freisler elf Jahre später am Berliner Volksgerichtshof gegen Bolz führte und der mit dem Todesurteil gegen den 64-Jährigen endete. Was neben etlichen anderen Fotodokumenten außerdem existiert, ist eine Aufnahme aus dem Jahr 1933, die das Wohnhaus von Eugen Bolz auf dem Killesberg zeigt. Prägende Jahre verbrachte er dort.

Dieses geschichtsträchtige Gebäude steht bis heute – allerdings weitgehend unbeachtet, wie sein früherer prominenter Bewohner. Die Frage, wie man damit umgehen sollte, ist fast schon beantwortet: Der neue Besitzer, eine Wohnungsbaugesellschaft, will das Gebäude abreißen, um dort in bester Lage hochwertige Eigentumswohnungen zu bauen. Vonseiten des Denkmalschutzes spricht offenbar nichts dagegen. Die Bolz-Villa könnte schon im nächsten Jahr fallen.

Ohne öffentliche Diskussion um die historische Bedeutung des Gebäudes darf dies nicht geschehen: Was denken die Verantwortlichen in Stadt und Land darüber? Lohnt ein Erhalt? Wenn das erwähnte Hotel Silber schützenswert ist, warum nicht auch die Bolz-Villa? Welche Alternativen zum Abriss wären denk- und finanzierbar? Wie könnten publikumswirksame Konzepte für einen Eugen-Bolz-Erinnerungsort aussehen? Überhaupt: Wie gehen wir grundsätzlich mit Gebäuden um, die eine Geschichte haben? Eine Frage, die sich beispielsweise auch in Zusammenhang mit dem Gebäude in der Heusteigstraße 45 stellt, wo bis 1961 der baden-württembergische Landtag tagte.

Es wäre schon ein Gewinn, wenn Eugen Bolz durch eine öffentliche Diskussion die Bedeutung zuteil würde, die ihm gebührt. Thomas Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte, nennt ihn „eine der herausragenden südwestdeutschen Persönlichkeiten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“. Unter den Frauen und Männern des Widerstands war Bolz der einzige Politiker, der eine Führungsposition bekleidete. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart will ihn als Märtyrer seligsprechen lassen. Das Verfahren dazu wurde im Mai eröffnet. Gleichzeitig verschwinden Spuren, die er in Stuttgart hinterlassen hat. Eine seltsame Geschichte.

j.sellner@stn.zgs.de