Nils Schmid wendet sich per Brief an die SPD-Basis, um den Verkauf der LBBW-Wohnungen an die Patrizia AG zu erklären Foto: dpa

Nils Schmid will Unruhe an der Basis per Brief eindämmen – Stadt hofft auf Gespräch mit Patrizia.

Stuttgart - Der Ärger über die Entscheidung des LBBW-Aufsichtsrats, die eigene Immobilientochter nicht an das BW-Konsortium mit der Stadt Stuttgart, sondern an die Patrizia zu verkaufen, ist auch nach Tagen nicht verraucht. Vielstimmig bleibt der Chor, der vor hohen Mietsteigerungen und Verunsicherung der Mieter warnt.

Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) sieht sich deshalb jetzt offenbar genötigt, die Parteibasis im Land zu beruhigen. „Eine Heuschrecke kann ich nicht erkennen“, schreibt der Landesvorsitzende in einem Brief, der unserer Zeitung vorliegt. Man solle jedoch die Sorgen der Mieter ernst nehmen und in den betroffenen Städten einen Dialog zwischen Mietern, Patrizia und kommunalen Vertretern aufnehmen. Das Schreiben ging an den Landesvorstand, mehrere Fraktionsvorsitzende und Kreisverbände – auch in Stuttgart, wo die Bedenken besonders groß sind.

„Dieser Wohnungsverkauf steht sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Deswegen wollte der Landesvorsitzende die Vorgänge nochmals darlegen“, sagt Andreas Reißig, Sprecher der SPD Baden-Württemberg. Das sei kein ungewöhnlicher Vorgang. An der Basis gebe es einfach Informationsbedarf. Daniel Abbou, Sprecher von Schmids Finanz- und Wirtschaftsministerium, spricht von „wichtiger innerparteilicher Kommunikation“.

„Regierung hat wenig Rückgrat gezeigt“

Allerdings wirft der Brief an manchen Stellen mehr Fragen auf, als er beantwortet. Besonders der Hinweis, das Land allein habe mit seinem 40-Prozent-Anteil an der Landesbank „keine Mehrheit bilden“ können für eine Entscheidung zugunsten des BW-Konsortiums, irritiert nicht nur viele Genossen. Denn eine Mehrheit im Aufsichtsrat wäre durchaus möglich gewesen, hätte sich das Land mit der Stadt verständigt, die über 18,9 Prozent verfügt.

„Diesem Vorwurf kann man nicht widersprechen“, sagt ein Stuttgarter SPD-Vertreter. Ähnliche Stimmen gibt es auch bei den Grünen. „Der Brief erklärt ein bisschen was, etwas mehr hätte man sich aber schon gewünscht“, sagt der Stuttgarter SPD-Kreisvorsitzende Dejan Perc. Die Stimmung an der Parteibasis sei nach wie vor schlecht, weil man sich beim Verkauf der Wohnungen ein anderes Ergebnis erhofft hatte: „Wir haben uns mehrfach klar für das BW-Konsortium ausgesprochen.“

Kritik an der Landesregierung kommt auch von anderer Seite. Rolf Gaßmann, Vorsitzender des Mieterbundes Baden-Württemberg und selbst bis 2006 für die SPD im Landtag, sagt zu dem LBBW-Geschäft: „Die grün-rote Regierung hat bei der Umsetzung ihres Koalitionsversprechens wenig Rückgrat gezeigt.“ Es sei ein Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik angekündigt worden. Im Koalitionsvertrag sei verankert, dass der Verkauf der Wohnungen „sozial verantwortlich und mit dem Ziel nachhaltiger Bewirtschaftung umgesetzt wird“. Nach dem Zuschlag für die Patrizia sei der Mieterbund deshalb „maßlos enttäuscht“.

Das gilt auch für die Mitglieder des BW-Konsortiums. Neben der Stadt sind darin mehrere Wohnungsbaugesellschaften vertreten. „Diese Entscheidung hat uns sehr enttäuscht und auch bundesweit für Aufsehen gesorgt“, sagt Christian Holz, Vorstand der Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau Baden-Württemberg (GWG). Die Stadt selbst will trotz geringer Erfolgsaussichten weiter versuchen, zumindest 2000 Wohnungen in Stuttgart, vorwiegend am Nordbahnhof, von Patrizia zurückzukaufen. „Wir hoffen auf einen Gesprächstermin in der nächsten Woche“, sagt Stadtsprecher Markus Vogt.