Grün-Rot hatte einen Bildungsaufbruch versprochen. Doch die Lehrer fühlen sich nicht mitgenommen und stellen der Regierung schlechte Noten aus. Die Gewerkschaft GEW schlägt Alarm und pocht auf ein Umdenken.

Grün-Rot hatte einen Bildungsaufbruch versprochen. Doch die Lehrer fühlen sich nicht mitgenommen und stellen der Regierung schlechte Noten aus. Die Gewerkschaft GEW schlägt Alarm und pocht auf ein Umdenken.

Stuttgart - Grün-Rot muss aus Sicht der Gewerkschaft GEW das Ruder in der Bildungspolitik wegen zunehmenden Unmuts innerhalb der Lehrerschaft herumreißen.

„Unzufriedenheit, Frust und schlechte Arbeitsbedingungen an den Schulen sind kein Nährboden für engagiertes Anpacken von Veränderungen“, mahnte GEW-Landeschefin Doro Moritz mit Blick auf miserable Zufriedenheitswerte in einer Lehrer-Befragung. Diese Ergebnisse seien ein „letzter Warnschuss“. „Die Landesregierung hat noch zwei Jahre Zeit, um zu zeigen, dass sie es besser kann“, sagte die Gewerkschafterin am Mittwoch in Stuttgart. Die Opposition forderte ein Ende der „ideologischen Bildungspolitik zulasten der Lehrer, Eltern und Schüler“.

Ganz oben auf der Wunschliste der Bildungsgewerkschaft steht neben einer besseren Kommunikation über und Qualifizierung für die geplanten Reformen die Rücknahme der geplanten Streichung von 11.600 Lehrerstellen bis 2020. Dies sei eine indiskutable Entscheidung, die dem Versprechen besserer Bildung im Südwesten zuwiderlaufe. Sie nehme wahr, dass die Pädagogen die Reformen mittrügen, sagte Moritz. „Andererseits erlebe ich, wie die fehlenden Ressourcen und die fehlenden Qualifikationen Angst und Widerstand auslösen.“ Mehr Geld für Bildung sei die Forderung, die die GEW aus Sicht der Befragten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen soll.

Lehrer: Mangelnde Kommunikation

Dem Ministerium sei der große Einsatz der Lehrer an allen Schularten bekannt, ließ Kultusminister Andreas Stoch (SPD) wissen. „Der Erfolg der Schulen und die gute Leistung der Schüler basiert auf dem großen Engagement der Lehrer.“ Allerdings sei ihre Aufgabe durch die zunehmend unterschiedliche Schülerschaft und die notwendige individuelle Förderung schwerer geworden.

Das Ministerium konterte die Klage über mangelhafte Kommunikation mit dem Hinweis auf die Vielzahl von Informationswegen. Unter anderem werde alle zwei Monate ein „Infodienst Schule“ an die Schulen verschickt; dieser enthalte alle neuen Informationen für die Schulleiter und Lehrkräfte. Darüber hinaus zähle das Internetangebot des Ministeriums zu den nachgefragtesten und umfangreichsten Seiten der Landesregierung.

Schlechte Stimmung, mehr Krankmeldungen

Laut Moritz führt die miese Stimmung zu mehr Erkrankungen, wobei vor allem die neue Gemeinschaftsschule eine erhöhte Rate aufweise. In allen Schularten beklagten die Lehrer laut der Umfrage mit rund 3000 Teilnehmern zu über 87 Prozent eine hohe oder sehr hohe Arbeitsbelastung. Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern meinte: „Wenn die Praktiker vor Ort in solch hohem Maße unzufrieden sind, bestätigt das die Befürchtung, dass Grün-Rot mit unangemessener Geschwindigkeit, mit den falschen Prioritäten, mit ideologischer Brille vor den Augen und mit dem Unvermögen, die Bedürfnisse des Bildungswesens zu erkennen, unterwegs ist.“ Aus Sicht des CDU-Bildungspolitikers Georg Wacker stieg die Arbeitsbelastung wegen der Streichung von 2200 Stellen in diesem und im vergangenen Jahr erheblich. Der Umbruch der Schullandschaft dürfe nicht hinter dem Rücken der Lehrer vollzogen werden.

Besonders beim Thema Integration behinderter Schüler kritisieren die Lehrer mangelhafte Vorbereitung. Sie fühlten sich „sehr schlecht“ gewappnet für die Inklusion, gaben um die 60 Prozent und mehr der Befragten an. Auffällig darüber lagen die Realschulen mit 73,4 Prozent und die zur Inklusion verpflichteten Gemeinschaftsschulen mit 67,57 Prozent. In der neuen Schulart klagen auch die meisten Lehrer über Zeitmangel - 92 Prozent. Aber auch in den anderen Schularten zählte das knappe Zeitbudget zu den Hauptbelastungsfaktoren. Folglich wünschen sich um die 90 Prozent der Lehrer aller Schularten, dass die Kürzung des Entlastungskontingents zurückgenommen wird, und zwischen 80 und 90 Prozent, dass die Altersermäßigung unangetastet bleibt.

Damit die Lehrer die Herausforderungen an den Gemeinschaftsschulen besser bewältigen, baut das Ministerium nach eigenen Angaben die Unterstützung für sie aus, etwa mit Hilfe zusätzlichen Unterrichtsmaterials und einer Lernplattform. Auch die Fortbildung für die Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen werde erweitert ebenso wie für die Inklusion. Mit der Reform der Lehrerbildung sollen künftig alle Lehramtsstudiengänge Grundfragen der Inklusion umfassen.