Abgeordnete sitzen am 1. März im Landtag von Baden-Württemberg. Es war die letzte Sitzung vor der Landtagswahl. Foto: dapd

Bei der Landtagswahl sorgen sich die Grünen um eine faire Verteilung von Ausgleichsmandaten.

Stuttgart - Eigentlich sollte man annehmen, die Umrechnung von Stimmen in Mandate sei exakt geregelt. Doch die Grünen machen jetzt auf einen Spielraum aufmerksam, der im Zweifel wahlentscheidend sein könnte.

Es kann knapp werden am Abend des 27. März. Seit Wochen sagen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün voraus. Gut möglich, dass es am Ende auf jede Stimme ankommt. Doch spiegelt sich der Wählerwille dann auch wirklich in der Sitzverteilung des neuen Landtags wider? Die Grünen melden daran Zweifel an und belegen dies mit einem Gutachten des Friedrichshafener Politikwissenschaftlers Joachim Behnke.

Dieser hat sich die Verteilung der sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate angesehen und ist dabei auf einen möglichen Verzerrungseffekt gestoßen. Ausgleichsmandate fallen dann an, wenn zuvor eine Partei in einem Regierungsbezirk mehr Direktmandate erhalten hat, als ihr eigentlich nach den Gesamtstimmen zustehen. Diese sogenannten Überhangmandate müssen ausgeglichen werden - und bei diesem Verfahren gibt es einen Spielraum.

Um zu ermitteln, wie viele Stimmen pro Sitz notwendig sind, legt Landeswahlleiterin Christiane Friedrich nämlich eine Zahl fest, durch die geteilt wird - einen Divisor. Bei der Rechenoperation kommen in der Regel ungerade Sitzzahlen heraus, die dann entweder auf- oder abgerundet werden.

Doch dabei, so Behnke, kann dieser Divisor so gewählt werden, dass die Partei mit den Überhangmandaten profitiert, weil sie "gerade noch so" zu den Ausgleichsmandaten gelangt, während andere Parteien mehr absolute Stimmen für ein Mandat benötigen. "Es existieren mehrere mögliche Verteilungen", so der Politikwissenschaftler, der an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen lehrt.

Brisante Fragen

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtags-Grünen, Theresia Bauer, hat deshalb an Landeswahlleiterin Christiane Friedrich geschrieben und auf die Brisanz dieser Frage hingewiesen. "Je knapper die Mehrheiten ausfallen, desto wichtiger ist eine möglichst präzise und verzerrungsfreie Umsetzung des Wählerwillens in die Sitzverteilung im Landtag", schreibt Bauer. Nur so erhalte das neue Parlament die nötige demokratische Legitimation.

Deshalb fordert sie die Landeswahlleiterin auf, "sicherzustellen, dass in Baden-Württemberg bei der Festlegung der Wahlzahl zur Ermittlung der Zahl der Ausgleichsmandate dasjenige Verfahren zur Anwendung kommt, das am besten die Erfolgswertgleichheit der Stimmen gewährleistet".

Das Berechnungsverfahren dürfe nicht zu einem zusätzlichen Vorteil für die Partei mit den meisten Überhangmandaten führen. Bisher war das die CDU: Vor fünf Jahren hat die Partei in 69 der 70 Wahlkreise die Direktmandate geholt. Bei einem unvollständigen Ausgleich könnte ein Lager trotz knapper Mehrheit der Stimmen weniger Sitze bekommen, so Bauers Befürchtung.

Dass die Grünen erst zwei Wochen vor dem Urnengang damit an die Öffentlichkeit gehen, führt die Abgeordnete darauf zurück, dass dieses Detail erst relativ spät bemerkt worden sei. Man habe auch zunächst das Verfassungsgerichtsurteil von Schleswig-Holstein aus dem vergangenen Jahr auswerten wollen: Dort war das Land gerichtlich zu einer Wahlrechtsreform und zu vorzeitigen Neuwahlen verpflichtet worden, weil es zu systematischen Verzerrungen bei der Sitzverteilung gekommen war.