Bei dem Unfall erlitt die Frau auf dem Beifahrersitz lebensgefährliche Verletzungen. Foto: SDMG

Ein Autofahrer soll im Herbst 2016 in Stuttgart versucht haben, seine Frau umzubringen, indem er mit ihr an der Seite gegen eine Stadtbahn gerast ist. Die Frau sieht darin nur einen Unfall. Die Ehe stellt sie nicht infrage.

Stuttgart - Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat ein 36-jähriger Stuttgarter versucht, seine Frau durch einen Frontalcrash mit einer Stadtbahn zu töten. Die Frau sieht darin nur einen Unfall. Die Ehe stellt sie nicht infrage. Diese unterschiedlichen Sichtweisen eines Stadtbahnunfalls vom vergangenen November in der Nordbahnhofstraße prallten am Mittwoch beim Prozessauftakt aufeinander. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht schuldfähig war. In dem Verfahren soll geklärt werden, ob er in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden soll. Offenbar leidet er unter einer psychischen Erkrankung, die Halluzinationen oder Wahnvorstellungen hervorrufen kann.

Die Frau hat sich von den lebensgefährlichen Verletzungen gut erholt

Über zwei Punkte wundern sich die Verfahrensbeteiligten offenkundig. Der eine ist der gute Gesundheitszustand der 34 Jahre alten Frau. Sie hatte bei dem Unfall am 23. November 2016 lebensgefährliche Verletzungen erlitten: zehn Knochenbrüche, darunter einen am zweiten Halswirbel, und ihre Lunge war kollabiert. „Wie, sie mussten nicht operiert werden?“ fragte die Richterin Ute Baisch erstaunt. Zehn Wochen lang war die Frau krankgeschrieben. „Vier davon wohl aus psychischen Gründen, aber es geht mir wieder gut“, fügte sie hinzu. Der zweite Punkt, der Erstaunen hervorrief, war die Beschreibung der Ehe: „Wir gehen respektvoll, liebevoll und verständnisvoll miteinander um“, sagte die Frau. Sie stelle die Beziehung wegen des Unfalls nicht infrage. „Wenn er aus der Klinik kommt, soll er wieder in unser gemeinsames Zuhause kommen“, sagte sie.

Die Frau saß an jenem Abend auf dem Beifahrersitz. Ihrem Mann ging es nicht gut, gab der psychiatrische Gutachter wieder, was er vom Beschuldigten bei zwei Terminen gehört hatte. Selbst sagt der Mann nichts zu den Vorwürfen, und auch seine Ehefrau wollte sich zu dem Unfall nicht äußern. Der Mann habe beschrieben, wie es ihm an den Tagen zuvor gegangen sei. Er habe im dritten Anlauf in Lübeck studiert. In den vorherigen Versuchen, einen Abschluss zu bekommen, sei er immer aufgrund seiner Deutschkenntnisse gescheitert. Der Mann war 2003 aus Marokko nach Deutschland gekommen, um hier Informatik zu studieren. In Lübeck habe er „ein Geräusch gehört“ und nicht schlafen können. Seine Frau riet ihm, nach Hause zu kommen und mit ihr zu reden. Das Gespräch sei nicht zustande gekommen. Drei Tage nach dem ersten Zwischenfall mit den Geräuschen geschah dann der Unfall. Er sei „gesteuert worden“, habe der Patient ihm gesagt. Stimmen will er gehört haben, außerdem zeigte er dem Arzt eine erhabene Stelle an seinem Oberkörper: Dort sei ihm so etwas wie ein Navigationsgerät eingebaut worden, um ihn zu steuern, habe er gesagt.

Die Polizei untersuchte, ob ein terroristischer Hintergrund bestand

Warum er an jenem Abend beschleunigte und das Auto auf die Schienen lenkte, konnte der Arzt nicht genau herausarbeiten bei den Gesprächen. Der Beschuldigte habe gesagt, er wollte seiner Frau nichts antun.

Der Fall sorgte seinerzeit für Aufsehen, kurzzeitig wurde auch die Polizei nervös. Da der Mann Moslem ist und 2003 des Studiums wegen aus Marokko nach Deutschland kam, sei untersucht worden, ob die Tat einen islamistischen Hintergrund hat – oder ob es sich gar um ein terroristisches Attentat handeln könnte. „Dafür fand sich aber nicht das geringste Anzeichen“, sagte die Richterin Ute Baisch. Überhaupt lebe das Paar auch in Sachen Religion sehr entspannt miteinander, sagte die Ehefrau des Beschuldigten. 2015 pilgerten die Christin und der Moslem gemeinsam auf dem Jakobsweg.

Das Verfahren wird am 3. Mai fortgesetzt.