Im Lahrer Raum waren laut Statistik im Oktober mehr als 1500 Erwerbslose älter als 50 Jahre. Foto: Stratenschule

Wer seinen Job verliert, hat es oftmals schwer - gerade im kaufmännischen Bereich.

Lahr - Die Zahl der älteren Arbeitslosen nimmt zu. In Lahr und Region haben mehr als 1500 Erwerbslose die 50 überschritten – das ist fast die Hälfte derer, die in der Statistik geführt werden. Die Arbeitsagentur sieht vor allem Probleme im kaufmännischen Bereich.

Die Bewerbungen zählt sie schon lange nicht mehr. "Man muss schon froh sein, wenn man eine Eingangsbestätigung bekommt", sagt die Lahrerin. Von Bewerbungsgesprächen kann sie nur träumen. Seit Januar ist die 48-Jährige auf Arbeitssuche, seit April bekommt sie Arbeitslosengeld. Besserung ist nicht in Sicht.

"Mit 48 Jahren zähle ich schon zum alten Eisen", sagt sie. "Zumindest zwischen den Zeilen bekommt man das gesagt." Fast 18 Jahre lang war die gelernte Industriekauffrau bei einer Ortenauer Firma beschäftigt. Im vergangenen Jahr hat sie eine "betriebsbedingte Kündigung" erhalten. Sie ist sicher: "Man wollte mich loswerden." Das habe man ihr auch zu spüren gegeben. "Am Ende konnte ich dort einfach nicht mehr arbeiten. Und jetzt sitzt ein Berufsanfänger auf meinem Stuhl." Seit Januar schaltet die 48-Jährige Anzeigen, besucht Kurse beim Arbeitsamt, schreibt eine Bewerbung nach der anderen. Scheinbar ohne Aussicht auf Erfolg.

Ist man mit knapp 50 Jahren tatsächlich schon weg vom Fenster? "Für ältere Menschen ist es nicht automatisch schwieriger, wieder Arbeit zu finden", sagt Holm Friedrich, Leiter der Geschäftsstelle der Agentur für Arbeit in Lahr. "Ein Industriemechaniker wird beispielsweise auch mit 55 noch einen Arbeitsplatz finden." Auch im Handwerk oder in der Pflege sieht er kaum Probleme. Im kaufmännischen Bereich, bei Bürojobs, hätten es ältere Arbeitssuchende aber oftmals schwerer.

"Mit 48 Jahren zähle ich schon zum alten Eisen"

Eine 45-Jährige Lahrerin bestätigt das. Die gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau ist seit einem Jahr auf Jobsuche. "Jeden Tag schreibe ich ein bis zwei Bewerbungen", sagt sie. "Aber irgendwann verzweifelt man."

Friedrich rät dazu, den beruflichen Horizont zu erweitern und neue Wege einzuschlagen. "Es gibt Alternativen. Im pflegerischen Bereich gibt es Bedarf." Er gibt aber zu, dass solch ein Wechsel für die meisten Menschen, die aus dem Bürobereich kommen, ein (zu) großer Schritt sei.

Die Zahlen sprechen für sich: 43 Prozent der Arbeitslosen im Lahrer Raum waren im Oktober älter als 50 Jahre (siehe Info). Von 117 Langzeitarbeitslosen sind laut Statistik 106 älter als 50 Jahre. Die Stadt Lahr und der Ortenaukreis bestätigen somit den Landestrend.

Sind Firmen unflexibel und setzen lieber auf jüngere, formbare Mitarbeiter statt auf Erfahrung? So sehen es die beiden Lahrerinnen. "Ältere arbeiten eben nicht mehr für das Geld, das jemanden gezahlt wird, der frisch aus der Ausbildung kommt. Erfahrene Mitarbeiter sind vielen Firmen zu teuer", sagt die 48-Jährige. "Am besten sollte man erst 18 sein und schon fünf Sprachen sprechen", ergänzt die 45-Jährige.

"Der Trend geht zugunsten der Älteren"

Friedrich will das so nicht stehen lassen. "Da gibt es auch Gegenargumente." Er verweist zum Beispiel auf jüngere Frauen, die nach einer Schwangerschaft Urlaub nehmen. Generell macht er die Problematik weniger am Alter fest und mehr an der Qualifikation.

"Der demografische Wandel spielt älteren Arbeitnehmern in die Karten", sagt Simon Kaiser, bei der IHK Südlicher Oberrhein zuständig für das Thema Arbeitsmarktpolitik. "Immer mehr Branchen tun sich schwer damit, Nachwuchskräfte zu finden." Daher versuchten viele Arbeitnehmer, gerade ältere, erfahrene Mitarbeiter an Bord zu halten. Schließlich brauche man diese auch, um Nachwuchskräfte einzuarbeiten. "Der Trend geht zugunsten der Älteren", bilanziert er.

Aber was ist, wenn man einmal weg ist vom Arbeitsmarkt? Friedrich sieht Zeitarbeit als eine gute Möglichkeit, um wieder Fuß zu fassen. Das sehen die beiden Lahrerinnen völlig anders. "Da wird man verheizt", sagt eine der beiden. "Solch kurzfristige Tätigkeiten machen sich nicht gut im Lebenslauf", fügt die andere an. "Da sitzt man doch immer am kürzeren Hebel." Und nach einem schweren Unfall vor einigen Jahren könne sie nicht mehr stundenlang im Schichtbetrieb arbeiten.

"Nicht aufgeben, weiter bewerben, offen sein für andere Bereiche", gibt der Leiter der Arbeitsagentur als Devise aus. Für die beiden Frauen ist das derzeit ein schwacher Trost. "Das Arbeitslosengeld läuft im Dezember aus", sagt die 45-Jährige. "Jetzt stehe ich vor dem Nichts."

Info: Zahlen

Laut Statistik der Arbeitsagentur waren im Oktober 3479 Menschen im Ortenaukreis arbeitslos, davon 1541 älter als 50 Jahre. Im Bezirk der Geschäftsstelle Lahr waren von 893 Arbeitslosen 386 älter als 50 Jahre. Älter als 55 Jahre waren im Kreis 1095 Arbeitslose, in Lahr 283. Noch deutlicher sind die Zahlen bei Langzeitarbeitslosen: Von 526 im Kreis waren 460 älter als 50 Jahre, davon 285 älter als 60 Jahre. In Lahr sind es 106 von 117 Langzeitarbeitslosen, 62 sind älter als 60 Jahre.