Die Gymnasien müssen sich über mangelnde Anmeldungszahlen nicht beklagen. Foto: Archiv

Mit unverbindlicher Grundschulempfehlung haben Eltern mehr Wahlfreiheit. Ein Zwischenbericht nach zwei Jahren.

Lahr - Zum Schuljahr 2012/2013 hat das Land Baden-Württemberg die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft. Von allen Schulformen bekommen in Lahr besonders die Werkrealschulen die Auswirkungen zu spüren. Ein Zwischenbericht.

Auf welche weiterführende Schule ein Kind gehen soll – darüber entschied bis vor zwei Jahren die Grundschulempfehlung. Sie war verbindlich. Nur Kinder, die einen zusätzlichen Test bestanden, durften auf eine höhere Schulart als die empfohlene wechseln.

Diese Hürde gibt es nicht mehr. Seit Sommer 2012 sind es die Eltern, die über die schulische Zukunft ihrer Kinder entscheiden. Und die wünschen sich für ihre Sprösslinge immer seltener die Werkrealschule.

"Die neue Regelung geht vor allem zulasten der Werkrealschulen", konstatiert Thomas Bührer, Rektor der Theodor-Heuss-Schule. Im aktuellen Schuljahr 2014/2015 haben sich auf seiner Werkrealschule zum ersten Mal so wenige Kinder angemeldet, dass es nur für eine einzige fünfte Klasse reicht. Dafür seien zwar auch die Konkurrenz der anderen Schulen und der demografische Wandel verantwortlich, "aber zu 50 Prozent liegt das am Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung." Von einer Schließung sei die Theodor-Heuss-Schule aber weit entfernt, insofern sei er "mit dem blauen Auge zufrieden."

Auch Günter Ugi, Rektor der Friedrich-Werkrealschule, bemerkt die abnehmende Akzeptanz seiner Schulform – und zieht Konsequenzen daraus. "Wir wollen von diesem toten Pferd absteigen", sagt er. "Deshalb haben wir einen Antrag auf Gemeinschaftsschule gestellt."

An der Realschule schlägt sich die neue Wahlfreiheit der Eltern auf andere Weise nieder. Zwar sei die Anzahl der neuen Schüler pro Jahr nicht sprunghaft angestiegen, so Christian Reinbold, Rektor der Otto-Hahn-Realschule, genauso wenig wie die Sitzenbleiberquote. "Wir bemerken aber eine verstärkte Heterogenität in den Klassen", sagt er. Die Schüler bräuchten mehr Förderung, um mitzukommen. Dafür gebe es neuerdings Coachingsstunden und Differenzierungsstunden, in denen die Lehrer sowohl auf starke als auch auf schwächere Schüler gesondert eingehen können. "Die neue Regelung kommt den Eltern entgegen", sagt Reinbold. "Manche Eltern entscheiden aber leider Gottes falsch für ihre Kinder", so der Schulleiter

Das bemängelte auch eine Mannheimer Studie aus dem Jahr 2011, dem Jahr, in dem die Entscheidung für unverbindliche Schulempfehlung in Baden-Württemberg fiel. Akademikereltern haben laut der Studie höhere Aspirationen für ihre Kinder und drängen sie auf möglicherweise zu anspruchsvolle Schulen. Wohingegen Eltern aus "bildungsferneren Schichten" für ihre Kinder oft mit einem niedrigen Schulabschluss zufrieden sind – trotz guter Leistungen der Schüler.

Im Scheffel-Gymnasium und im Max-Planck-Gymnasium will man kaum etwas von der neuen Regelung bemerkt haben. Beide Schulen können über mangelnde Anmeldungszahlen nicht klagen. Und auch mit zu schwachen Schülern gebe es keine auffälligen Probleme, so die Schulleiter. "Heterogenität hatten wir auch früher schon", sagt Waltraud Oelmann, Direktorin des Max-Planck-Gymnasiums, "und das wird immer ein Thema bleiben." Sie will noch kein Urteil über die Entscheidung des Landes treffen, dafür sei noch nicht genug Zeit vergangen.

Aber Oelmann stellt fest: "Alle Kinder, die wollen, können jetzt aufs Gymnasium. Schüler ohne Empfehlung machen sich teils sehr gut bei uns. Und Kinder mit Empfehlung haben manchmal Schwierigkeiten."