Der Mindestlohn für alle gilt seit 1. Januar 2015. Ausnahmen gibt es bis 2017. Foto: Gambarini Foto: Gambarini

Auswirkungen stark branchenabhängig. Auch in der Region droht Jobverlust durch Arbeitsschutzgesetz.

Lahr - Er ist erst ein paar Tage alt, und keiner weiß so wirklich, was er alles nach sich ziehen wird: der gesetzliche Mindestlohn. Dank ihm soll seit Jahresbeginn fast jeder Arbeitnehmer einen Lohn von 8,50 Euro pro Stunde erhalten. Wenn er denn angestellt bleibt.

Der gesetzliche Mindestlohn, er ist da. Ganz oben stand er auf der Liste der Sozialdemokraten vor der zurückliegenden Bundestagswahl. Heftig und lang waren die Debatten, die bei Entscheidungsträgern und in der Öffentlichkeit über seine Sinnhaftigkeit und seine Ausgestaltung geführt wurden. Seit dem 1. Januar ist das Mindestlohngesetz in Kraft. Es sieht vor, dass alle in Deutschland beschäftigen Arbeitnehmer fortan mindestens 8,50 Euro pro Stunde verdienen. Dumpinglöhne sollen damit verhindert und die Zahl der vom Staat unterstützten Bürger verringert werden. So jedenfalls ist die Sicht des Gesetzgebers. Was erwarten die Betroffenen in Lahr und der Region?

"Es trifft die Ärmsten", befürchtet Andreas Feißt, Vorsitzender der Lahrer Kreisstelle des Deutschen Hotel- und Gastronomieverbands. "Viele 450-Euro-Jobber werden ihre Stelle verlieren." Können oder wollen die Arbeitgeber den Mindestlohn nicht bezahlen? Weit gefehlt. "Wir zahlen nach Tarif eh schon seit langem 10,40 Euro, mindestens", so Feißt weiter.

Wo liegt dann das Problem? Aus Feißt’ Sicht im seit Jahren bestehenden Arbeitsschutzgesetz. Dieses verlangt eine Pause von mindestens zwölf Stunden zwischen Schichtende und dem Dienstbeginn am nächsten Tag, die in der Branche oft nicht einzuhalten sei. Außerdem darf laut Gesetz in der Regel pro Tag nur zehn Stunden gearbeitet werden. Damit seien gerade "diejenigen betroffen, die sich in der Gastronomie nach ihrem normalen Job etwas dazu verdienen wollen oder müssen", sagt Feißt.

Die Krux liege darin, dass der dafür zuständige Zoll aufgrund der Einführung des Mindestlohns fortan viel stärker die Arbeitszeiten kontrollieren und Verstöße der Gewerbeaufsicht melden wird. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat vor diesem Hintergrund angekündigt, rund 1600 neue Stellen beim Zoll zu schaffen. Für Feißt gibt es nur zwei mögliche Folgen: "Entweder werden die Wirte ihr Lokal früher schließen oder weiteres Personal einstellen. Dessen Lohn müsste dann natürlich auf die Gäste umgelegt werden. Erst im Laufe des Jahres werden die Folgen für alle wirklich zu spüren sein."

In der Fleischer-Branche in der Region sieht man den Auswirkungen deutlich gelassener entgegen. "Die qualifizierten Fachkräften verdienen eh schon lange mehr als 8,50 Euro pro Stunde", so Michael Maier, Obermeister der Fleischerinnung Ortenau. "Da in unseren Betrieben relativ wenige Hilfsarbeiter und Angestellte auf 450-Euro-Basis arbeiten, werden die Folgen insgesamt nicht stark zu spüren sein."

Ganz ähnlich argumentiert Simon Kaiser von der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein. Insofern sieht der Referent für Arbeitsmarktpolitik die Masse der Branche nicht betroffen. "Außerdem haben wir in der Region Lahr ein relativ hohes Lohnniveau, so dass die Folgen des Mindestlohns überschaubar bleiben." Es bestehe ein gewisses Risiko, dass Plätze von Nicht-Qualifizierten wegfallen. "Aber da die Arbeit dennoch erbracht werden muss, ist kein Fallbeil-Effekt zu erwarten."

Rechtsunsicherheit bei einigen Firmen

Laut IHK zeigen sich einige Firmen beunruhigt hinsichtlich rechtlicher Fragen, die das Gesetz mit sich bringt. Etwa, ob und inwieweit Praktikanten unter das Gesetz fallen. In der Folge könnten zunächst weniger Praktikumsplätze vergeben werden. "Aber die Rechtssicherheit wird in den nächsten Monaten sicherlich kommen", so Kaiser weiter.