Kämpfen mit Überzeugung dafür, dass ihre Kursstunden nicht ins Wasser fallen: Die Teilnehmer an den Gesundheitskursen im Mineralbad Berg. Foto: Michele Danze

Viele Teilnehmer an den Gesundheitskursen im Mineralbad Berg sind bereits im Rentenalter. Nun schlägt ihre Entrüstung über die ihrer Meinung nach sture Haltung der Stadt hohe Wellen. Denn sie dürfen versäumte Kursstunden nicht mehr gratis nachholen. Damit wollen sie sich aber nicht abfinden.

Stuttgart - Rund ein Dutzend Männer und Frauen zwischen etwa 60 und 75 Jahren treffen sich regelmäßig am Freitagmittag zur Wirbelsäulengymnastik im Mineralbad Berg. Doch ab und zu fehlt ein bekanntes Gesicht. „Wenn viel Schnee liegt und es glatt ist, trauen sich manche Kursteilnehmer aus Angst zu stürzen nicht auf die Straße. Es sind ja nicht mehr alle hundertprozentig rüstig. Außerdem kann in dem Alter immer mal jemand krank werden“, sagt Ingrid Striethorst. Die 60-jährige Stuttgarterin ist wie alle aus der Freitagsgruppe Stammgast im Mineralbad Berg und macht dort seit fünf Jahren bei der Wirbelsäulengymnastik mit. „Bisher konnte jeder eine verpasste Stunde in einem der Parallelkurse an einem anderen Tag bei der gleichen Kursleiterin nachholen“, sagt sie.

Dieser Praxis schieben die Bäderbetriebe Stuttgart jetzt einen Riegel vor. Versäumte Stunden fallen ins Wasser. „Wer sich zu einem Spanischkurs in der Volkshochschule angemeldet oder eine Karte fürs Theater gekauft hat, kann die Spanischstunde oder Theateraufführung auch nicht zu einem anderen Zeitpunkt besuchen“, verteidigt Anke Senne, Chefin der Bäderbetriebe, die Marschrichtung und beruft sich auf den Paragrafen sechs der Badeordnung. Dort steht, dass die Karten für die Kurse nur für den jeweiligen Kurs gültig sind. Dass die Kursteilnehmer ihre Stunden bislang nachholen konnten, sei nicht mit den Bäderbetrieben abgestimmt gewesen. „Die Kursleiterin hat eigenständig gehandelt“, erklärt Senne und stellt fest, dass es durch dieses „gut gemeinte“ Fehlverhalten zu extremen Ausmaßen gekommen sei. So sei bei Kontrollen aufgefallen, dass Leute wiederholt ohne zu bezahlen bei Kursen mitgemacht hätten. „Das ist wirtschaftlich nicht vertretbar“, sagt Senne. Außerdem weist sie auf die Werbung für die Gesundheitskurse hin. Dort ist zu lesen, dass die Gruppen klein sind und maximal 14 Teilnehmer haben.

„Den Behörden sollte es um die Gesundheit der älteren Menschen gehen“

Die empörten Rentner auch aus anderen Kursen haben mittlerweile zahlreiche Beschwerden an die Stadtverwaltung geschickt und eine Liste mit 85 Unterschriften gesammelt. Damit wollen sie den Bezirksbeirat Ost und den Bäderausschuss des Gemeinderats konfrontieren. „Den Behörden sollte es nicht um die Paragrafen, sondern um die Gesundheit der älteren Menschen gehen“, fordert Striethorst im Namen der Rentner und stellt klar: „Wir geben keine Ruhe, bis das wieder anders geregelt wird.“

Die Argumentation der Bäderchefin wollen Striethorst und ihre Mitstreiter nicht gelten lassen. Pro Kurs würden höchstens zwei Teilnehmer fehlen für die es in einem der Parallelkurse einen Platz gebe. Außerdem würden die Zehnerkarten immerhin 108 Euro kosten. „Die meisten haben nur eine schmale Rente. Für die ist das viel Geld“, sagt Striethorst und weiß, dass es „schon Tränen gab“, weil eine betagte Dame ihre Kursstunde nicht nachholen durfte. Und der 74-jährige Erich Rach klagt, dass er demnächst ins Krankenhaus muss und dann trotz Attest vom Arzt drei Stunden verfallen.

Die Senioren bedrückt aber auch noch etwas anderes. Sie befürchten, dass die wirtschaftlichen Einbußen, die die Bäderbetriebe als Grund für ihre Haltung anführen, nur ein Vorwand sind. „Wir sollen rausgedrängt und unsere Kurse durch ein Angebot ersetzt werden, dass auf jüngere Teilnehmer zugeschnitten ist“, vermutet Striethorst. Der Hintergrund für ihre Befürchtung: In zwei Jahren soll das Mineralbad Berg für rund 4,5 Millionen Euro saniert werden.