Erst mit der entsprechenden Infrastruktur wird heute aus einem Schloss oder einer Burg ein touristisch optimal aufgestelltes Objekt. Foto: Mierendorf

Einfach ein Schloss oder eine Burg zur Besichtigung freigeben reicht schon lange nicht mehr. Der Kulturtourist will Geschichte erleben.

Michael Hörrmann hat eigentlich einen Traumjob. Wenn nicht gerade ein Gewittersturm über Baden-Württemberg tobt und den Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG) in Atem hält. Bei dem jüngsten Unwetter hatten gebrochene Äste, durcheinandergeworfene Kübelpflanzen und geborstene Fensterscheiben besonders im Schlossgarten von Schwetzingen einen gravierenden Schaden hinterlassen. Der englische Landschaftsgarten in Schwetzingen musste sogar für Tage gesperrt werden, weil der Sturm einige der alten Bäume im Garten zum Teil entwurzelt hatte und zudem viele Äste gebrochen waren. 'Bei uns stehen der Besucher und dessen Sicherheit immer im Mittelpunkt', skizziert Michael Hörrmann seinen Anspruch.

Dazu gehört auch die Pflege der Grünflächen der zahlreichen Parkanlagen und Gärten in Landesbesitz. Knapp zwei Millionen Euro lassen sich die Staatlichen Schlösser das jedes Jahr kosten. Die Instandhaltung der Gebäude hingegen ist Sache des Landesbetriebs Vermögen und Bau. Aufgabe der SSG sei es, die Anlagen für die Besucher 'erlebbar' und 'so attraktiv' zu machen, dass möglichst viele Besucher kommen. Schließlich generierten sich rund 60 Prozent der Einnahmen der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg aus Eintrittsgeldern, macht Hörrmann deutlich. Um die bis zu 3,7 Millionen Besucher jährlich zufriedenzustellen, reicht es heute längst nicht mehr, nur das Kulturgut - sprich ein Schloss, eine Burg oder ein Kloster - zur Verfügung zu stellen.

"Historisch erlebbare" Anlagen

'Die Besucher wollen ganz banal betrachtet ein ordentlich betriebenes Schloss mit einer entsprechenden Infrastruktur. Das fängt schon mit profanen Dingen wie einer sauberen Toilettenanlage an', sagt der SSG-Geschäftsführer. Andererseits erwartet der Kulturtourist von heute anders als noch vor 30 Jahren vor allem 'historisch erlebbare' Anlagen. Das heißt, eine gute Ausschilderung und ein auf seine speziellen Interessen abgestimmtes Führungsprogramm. 'Heute macht kein Gebäude mehr allein ein attraktives kulturhistorisches Ziel aus', erläutert Hörrmann und ergänzt: 'Zwischen einem Schloss und einem touristisch optimal aufgestellten Objekt ist ein großer Unterschied.' Zumal der Unterhalt der kulturhistorischen Einrichtungen in Baden-Württemberg viele Millionen Euro kostet.

So werden allein für den Unterhalt der rund 60 SSG-Objekte jedes Jahr rund 20 Millionen Euro vom Land aufgewendet. Noch einmal die gleiche Summe fließt jedes Jahr in den baulichen Erhalt und die Renovierung der kulturhistorisch wertvollen und denkmalgeschützten Objekte. 'Sie glauben gar nicht, wie aufwendig es sein kann, selbst eine Ruine zu erhalten', sagt der SSG- Geschäftsführer. Ein Teil der Kosten wird durch die erhobenen Eintrittsgelder aufgefangen, ein weiterer Teil durch die zahlreichen Führungen und Veranstaltungen im Jahr. Einen wesentlichen Anteil an den Einnahmen hat das Vermieten von historischen Veranstaltungsräumen für Hochzeiten, Taufen, Familienfeiern oder Firmenevents. Rund 164 Räume stehen derzeit für derartige Veranstaltungen der SSG zur Verfügung.

Das waren auch schon mal mehr. 'Durch die aktuellen Auflagen des Brandschutzes für Versammlungsstätten mussten in den letzten Jahren einige Räumlichkeiten aus dem Vermietungskatalog genommen werden', erläutert Hörrmann. 'Die Sicherheit der Besucher steht auch bei uns an erster Stelle.' Diese Räumlichkeiten würden jetzt nach und nach auf den aktuellen Stand des Brandschutzes gebracht. Die Anmietung historischer Räumlichkeiten ist aber nichts für Kurzentschlossene. 'Wenn Sie in Ludwigsburg im Schloss zum Beispiel eine Hochzeit feiern wollen, sollten sie mindestens ein Jahr vorher reservieren', rät Michael Hörrmann. Das Ludwigsburger Schloss gehört neben Heidelberg und Schwetzingen zu den beliebtesten Veranstaltungsorten im Portfolio der SSG.

Manche Anfragen verstoßen gegen die guten Sitten

Manchmal muss Michael Hörrmann aber auch eine Buchungsanfrage ablehnen. Zum Beispiel dann, wenn die Art der Veranstaltung gegen die guten Sitten verstößt oder einfach nur schräg ist. So sollen Anhänger der Gothic-Subkultur schon versucht haben, einige Grabgedenkstätten für ihre Musikveranstaltungen anzumieten. 'Die meisten Anfragen sind aber seriös', weiß Hörrmann. Vor allem aus dem asiatischen Raum kämen viele Reservierungen. Natürlich für eine Hochzeit in Weiß im Heidelberger Schloss. An manchen Tagen sei der Andrang der Hochzeitspaare so groß, dass fast schon im Stundentakt geheiratet werde.

Manchmal befinde sich derjenige, der diese Kulturschätze der Öffentlichkeit zugänglich macht, auch in einem Zielkonflikt, meint Hörrmann. Einerseits will das Land möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, die Geschichte authentisch nachzuvollziehen, andererseits hinterließen die zahlreichen Besucher an Gebäuden und Einrichtungen auch Spuren. Beide Interessen müssten im täglichen Betrieb immer wieder neu austariert werden. 'Grundsätzlich besteht immer die Gefahr, dass etwas zerstört oder abgenützt wird', erklärt der Historiker. Besonders gefährdet seien dabei vor allem die empfindlichen Textiltapeten. Doch was wäre die Alternative? Blieben diese Gebäude vor der Öffentlichkeit verschlossen, würde zwangsläufig auch die Akzeptanz in der Bevölkerung schwinden, dass für den Erhalt derartiger Objekte Geld ausgegeben wird. Und das wolle niemand. Schließlich sollen auch künftige Generationen das historische Erbe des Landes hautnah nachvollziehen können, so Hörrmann.