Im Sommer ist der Küchenhersteller Alno nur knapp an der Insolvenz vorbeigeschrammt. Durch eine Kapitalerhöhung konnte sich Alno jetzt Geld besorgen, um die Schulden zurückzuzahlen. Alno-Chef Max Müller über die Zukunft des Unternehmens.

Herr Müller, haben Sie eigentlich zu viel Geld?
Ich? Nein. Ich bin ganz bescheiden.

Sie haben aber erst kürzlich wieder viel in Alno investiert. Dabei haben die Aktionäre seit dem Börsengang 1995 mit Alno-Aktien viel Geld verloren.
Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren im Unternehmen und habe seither tatsächlich einen substanziellen Betrag von meinem Vermögen in die Alno AG gesteckt.

Bisher hielten Sie zwei Prozent der Anteile. Wie viel ist während der Kapitalerhöhung dazugekommen?
Meine Familie, Gesellschaften, die mir gehören, und ich halten jetzt insgesamt rund 3,2 Millionen Aktien. Das sind etwa 4,4 Prozent. Der Grund für die Investition ist, dass ich noch nie so überzeugt war von einem Unternehmen.

Warum?
Was die Mitarbeiter hier in Pfullendorf leisten, habe ich noch nie erlebt. Die Menschen sind mit Herz, Seele und allem, was sie haben, engagiert. Das Unternehmen existiert nur deshalb noch, weil die Mitarbeiter bedingungslos dahinterstehen.

Die eben abgeschlossenen Kapitalmaßnahmen wurden von Whirlpool entwickelt und abgesichert. Warum ist Alno dem Unternehmen so viel wert?
Wir sind ein sehr guter Kunde von Whirlpool. Wir kaufen pro Jahr für 80 bis 90 Millionen Euro Elektrogeräte von Whirlpool ab – beziehungsweise von der Stuttgarter Tochter Bauknecht. Wir sind der drittgrößte Kunde in Europa. Nur Ikea und der Otto-Versand sind noch größer.

Durch die Kapitalerhöhung konnten Sie jedoch lediglich Schulden tilgen. Jetzt fehlt wieder Geld, um ins operative Geschäft zu investieren und Alno nachhaltig in die Gewinnzone zu führen.
Wir haben vor ein paar Tagen eine Flasche Champagner aufgemacht. Grund dafür sind vier Briefe, die jetzt eingerahmt in meinem Büro hängen: von der Commerzbank, der Sparkasse Pfullendorf, von der Südwestbank und von der Baden-Württembergischen Bank. Dort schreiben uns die Banken kurz und bündig: Hiermit geben wir Ihnen alle Sicherheiten zurück. Insgesamt sind durch den Verzicht der Banken auf einen Teil ihrer Forderungen und durch die Tilgung der restlichen Schulden über 200 Millionen Euro Sicherheiten frei geworden.

„Wir brauchen noch zusätzliche 35 Millionen Euro“

Das bringt Ihnen noch kein frisches Kapital.
Wir haben aber von Whirlpool eine zusätzliche Kreditlinie von rund 20 Millionen Euro bekommen. Außerdem verhandeln wir aktuell mit verschiedenen Kreditinstituten. Wir brauchen noch zusätzliche 35 Millionen Euro.

Die Banken haben sich bei Alno doch schon einmal ein blaues Auge geholt. Meinen Sie, die machen das noch mal?
Ich habe mir auch schon mal ein blaues Auge bei Alno geholt. Wir haben die Geschäftsbeziehungen zu unseren Banken in aller Freundschaft beendet.

Und andere Banken sind so risikofreudig, Ihnen Geld zu leihen?
Die Gespräche waren bisher sehr positiv. Wir glauben, dass wir die 35 Millionen Euro in wenigen Wochen in trockenen Tüchern haben. 15 Banken sind interessiert, mit uns zusammenzuarbeiten, und wir prüfen gerade, wer am besten zu uns passt und wer die besten Konditionen bietet.

Welche Banken sind in der engeren Auswahl?
Das regelt meine Finanzchefin gerade ohne mich.

Kaum vorstellbar.
(Lacht) Ich bin nicht Stalin. Wir sind ein demokratischer Laden. Und wir haben natürlich jetzt eine ganz andere Ausgangslage. Wir haben weit über 200 Millionen Euro Sicherheiten freibekommen und stehen heute bilanzmäßig weit besser da als vor einem Jahr.

Aber immer noch nicht gut.
Wir befinden uns in einem Prozess. Das braucht Zeit. Ich kann nicht in einem Jahr korrigieren, was zehn Jahre vorher falsch gelaufen ist.

Die Alno AG hat in den vergangenen Jahren viele Chefwechsel erlebt. Das war nicht immer gut fürs Unternehmen. Warum wollen auch Sie Ihren Posten im Sommer wieder abgeben?
Ich bin 67 Jahre alt und habe noch nie so viel gearbeitet wie jetzt. Heute Morgen habe ich um 5 Uhr das Hotel verlassen, und es wird 22 Uhr werden, bis ich nach Hause fahre.

„Es wird eher den Standort Enger treffen“

Und darauf haben Sie keine Lust mehr?
Doch. Aber wir haben ja mit Elmar Duffner einen guten Nachfolger. Ich würde mich freuen, wenn ich im Sommer in den Aufsichtsrat gewählt werde. Ich lasse das Unternehmen nicht allein.

Und wofür brauchen Sie mehr Zeit?
Ich will ab und zu mal wieder ein Buch lesen, außerdem habe ich seit fast zwei Jahren kein Golf mehr gespielt.

Zuvor stehen aber noch ein paar unangenehme Entscheidungen an. Beim Personal sollen sechs Millionen Euro beziehungsweise 130 Stellen eingespart werden. Warum haben Sie seit 2010 genau 78 neue Stellen geschaffen, die jetzt wieder gestrichen werden müssen?
Wir haben in der Produktion Stellen geschaffen, weil wir in Pfullendorf eine Glas- und Keramikproduktion neu aufgebaut haben. Aber wir haben auch einen Bereich, der überbesetzt ist, und das ist die Verwaltung.

Wird es eher den Standort Pfullendorf treffen oder Enger?
Es wird eher den Standort Enger treffen. Dort haben wir eine sehr große Verwaltung. Aber um wie viel Stellen es sich genau handelt, wissen wir erst, wenn wir die Planung fürs kommende Jahr abgeschlossen haben.

Mit welchem Ergebnis rechnen Sie für 2013?
2013 wollen wir das erste Mal seit vielen Jahren wieder Geld verdienen und einen kleinen einstelligen Gewinn einfahren.

Wo sehen Sie Wachstumspotenzial?
In China wollen wir unseren Umsatz 2013 verdoppeln, auch in England und der Schweiz wollen wir wachsen. Gerade hatte ich Besuch aus Dubai. Wir haben über ein sehr interessantes Geschäft gesprochen. In Katar, Dubai, Oman und Abu Dhabi zieht die Baukonjunktur wieder an. Das sind sehr interessante Märkte für uns. Wir werden zum Beispiel nächstes Jahr 1000 Küchen für den Luxus-Wolkenkratzer Infinity-Tower in Dubai liefern.