Nach der Erstversorgung werden die Notfälle dem Krankenhaus übergeben. Foto: Schmidt

Wenn Korken knallen, herrscht bei Rettungskräften Hektik. Adrenalin vor jedem Einsatz.

Kreis Rottweil - In der Silvesternacht herrschte auf der Rettungswache in Rottweil Hochbetrieb. Die Einsatzkräfte kamen kaum zur Ruhe. Insgesamt mussten zwischen 18 und ein Uhr 27 Einsätze gefahren werden.

Es ist still auf der Wache. Die beiden Rettungswagen, die hier rund um die Uhr stationiert sind, sind bereits im Einsatz. Dabei hat die Schicht von Benjamin Sigrist, Felix Kramer, Andreas Saum, Achim Herrmann und Manuel Feilcke offiziell noch gar nicht begonnen. Nur Feilcke ist zurückgeblieben.

Vor jeder neuen Schicht werden die Fahrzeuge durchgecheckt, erzählt er, während er sein Fahrzeug mit dem Hochdruckreiniger vom Streusalz befreit. Feilcke, der an diesem Abend mit dem Notarzteinsatzfahrzeug unterwegs sein wird, hat diesen Job übernommen. In den oberen Räumen steht ein Weihnachtsbaum und es duftet nach Raclette. Notfallsanitäter Feilcke, der ab Mitternacht zum Leiter des Rettungsdienstes aufsteigen wird, rechnet mit nur wenigen Einsätzen bis dahin. Mit klassischen Silvesterunfällen rechnet er gar nicht.

Die Rettungskräfte sind zurück. Sie erzählen von einem schweren Einsatz in Hausen und einem Kleinkindunfall in Villingendorf. Beide Patienten wurden ins Schwarzwald-Baar-Klinikum nach Villingen-Schwenningen gebracht.

Kaum eine Viertelstunde später schrillen die Alarmglocken erneut. Eine ältere Dame in Göllsdorf klagt über starke Bauchschmerzen, meldet das Display im Rettungswagen. Die Rettungskräfte bahnen sich ihren Weg ohne Blaulicht durch Rottweil. Der Göllsdorfer Sozialdienst ist bereits vor Ort, so dass der Befund schnell feststeht. Den erfahrenen Rettungsassistenten Andreas Saum unterstützt Rettungssanitäter Felix Kramer. Ein freiwilliges soziales Jahr habe ihn auf die Rettungswache gebracht. Später würde er gerne die Ausbildung zum Notfallsanitäter beginnen. Zur Silvesterschicht habe er sich freiwillig gemeldet, erzählt er von seiner Begeisterung für den "abwechslungsreichen Job". Benjamin Sigrist befindet sich schon im letzten Ausbildungsjahr zum Notfallsanitäter. Er liebt das Adrenalin vor jedem Einsatz. Die beiden sind die jungen Wilden am Silvesterabend, Sigrist an der Seite von Notallsanitäter Achim Herrmann.

Doch die Handgriffe sitzen. Kein Wort ist im Team nötig, wenn die lebensrettenden Maßnahmen abgespult werden. Die Vorgehensweise ist fast immer dieselbe. Der Rettungswagen ist fast eine mobile Intensivstation. Seit der Änderung der Berufsbezeichnung des Rettungsassistenten nun zum Notfallsanitäter und bei längeren Ausbildungszeiten tragen die Kräfte jetzt deutlich mehr Verantwortung. Manches, was vormals zwingend von einem Notarzt vorgenommen werden musste, leistet jetzt das Einsatzteam.

Es geht Schlag auf Schlag

Nach der Übergabe der alten Dame in der Helios-Klinik sitzen inzwischen tatsächlich alle Rettungskräfte am Tisch, aber nach einer Stunde geht es Schlag auf Schlag. Ein Brand in der Altstadt fordert drei Verletzte, ein Kind in Schabenhausen hat sich eine Kopfverletzung zugezogen und aus Deißlingen meldet sich ein Russe, der sich im Liebestaumel mit seiner Freundin eine Verletzung eingehandelt hat. Ein Aufenthalt im Krankenhaus blieb ihm jedoch erspart. Eine Entscheidung, die immer öfter notwendig ist, erzählt Feilcke. In den vergangenen 15 Jahren habe sich die Zahl der Einsätze fast verdoppelt, während sich die der tatsächlichen Notfälle nicht erhöht habe. Neben den zunehmenden Ängsten und der Hilflosigkeit der Bürger, vermutet Feilcke dahinter den Ärztemangel. Zudem werden Hausbesuche immer seltener.

Die Rückfahrt von Deißlingen endete indes jäh. Erneut wird ein Einsatz in Deißlingen gemeldet. "Reanimation mit Notarzt" zeigte das Display an. Mit Blaulicht geht es zurück. Die Helfer vor Ort des DRK Deißlingen sind bereits eingetroffen. Kurz nach dem Rettungswagen trifft auch der Notarzt mit Manuel Feilcke ein. Der schwer herzkranke ältere Mann muss zum Glück nicht wiederbelebt werden, wird jedoch sofort ins Vinzenz-von-Paul-Hospital überführt.

Doch es gibt an diesem Abend auch die klassischen Silversterunfälle. Ein Blindgänger wurde einem jungen Mann in Dietingen zum Verhängnis. Die Rakete explodierte, als er sie aus einer Bierflasche zog. Die Fahrt mit dem Blaulicht verläuft reibungslos. Eher eine Seltenheit, ärgert sich Feilcke. Zwar halten sich die meisten weit rechts, aber oftmals nutze dann ein Autofahrer in der Kolonne die freie Spur und beginne zu überholen, während der Rettungswagen von hinten heranbraust. Die Brandverletzungen eines weiteren jungen Mannes am Kriegsdamm in Rottweil sind weniger dramatisch. Ihm explodierte ein Knaller in der Hand. Mittlerweile ist es nach ein Uhr. In der Leitstelle bei Pamela List wird es ruhiger. Ein kurzer Überblick aber zeigte, dass im vergangenen Jahr 41 349 Einsatzanrufe eingingen, informiert sie. Gegen zwei Uhr musste ein Rottweiler Rettungswagen nach Schwenningen zum Einsatz. Dort waren alle Einsatzfahrzeuge unterwegs. Auch in Rottweil ist der kurzfristige Einsatz eines außerdienstlichen Helfers notwendig geworden. Für die Gratulation von Manuel Feilcke war dennoch Zeit. Nicht nur zum neuen Jahr, sondern zum beruflichen Aufstieg.

Feilcke kam vor 16 Jahren zum Rottweiler DRK-Kreisverband. Seit sechs Jahren begleitet er die Wache als stellvertretender Rettungsdienstleiter, und stieg am 1. Januar in die Chefposition auf. Neben besseren Arbeitsbedingungen, insbesondere im Schichtdienst, liegt ihm der Nachwuchs am Herzen. Zwar locke das Blaulicht und das abwechslungsreiche Tätigkeitsfeld an, aber es gelte ihnen dauerhaft gute Arbeitsverhältnisse zu bieten.