Kreis Rottweil - Die AfD wird drittstärkste Kraft im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen. Wie die FDP und die Grünen profitiert sie von den Verlusten von SPD – und vor allem der CDU.

Erschrockene Mienen, getrübte Stimmung: Nach den ersten Hochrechnungen herrscht bei der Wahlparty der SPD in Wurmlingen wahrlich keine Feierstimmung. "Absolut katastrophal", nennt Direktkandidat Georg Sattler das historisch schlechte Ergebnis, "es ist ein Denkzettel für uns". In ersten Erklärungsversuchen später gibt sich Sattler pragmatisch: "Es ist schwierig, es ist eine Wahl – Deutschland hat entschieden." Sattler findet aber auch einen positiven Aspekt: Bei der Erststimmen habe er ein besseres Ergebnis als die Partei bei den Zweitstimmen, was er als Erfolg seines Wahlkampfteams verbucht. Er gibt sich kämpferisch: Sollte es gewünscht sein, wolle er in vier Jahren wieder antreten.

Ein paar Meter weiter bei der Hirsch-Brauerei sind auch die Reaktionen der CDU-Mitglieder mehr als verhalten. Bis auf ein Mädchen, das mit einem Luftballon spielt, scheint keiner wirklich froh angesichts des "enttäuschenden" Ergebnisses. "Wir haben uns diesen Wahlabend in der Union anders vorgestellt", bedauert Landes-Justizminister Guido Wolf. "Wenn man so viel an Stimmen und Zustimmung verliert, dann ist das für diejenigen, die in den vergangenen Wochen auf den Märkten gestanden haben, ein bitteres Ergebnis." Ein Trost ist den Mitgliedern und Wolf, dass die CDU den Regierungsauftrag behalten hat.

Auch Direktkandidat Volker Kauder äußert im Gespräch mit unserer Zeitung gemischte Gefühle. Er hatte die Hochrechnungen vor laufender Kamera in Berlin verfolgt. "Ich hätte mir natürlich ein besseres Ergebnis gewünscht, aber ich bin dankbar, dass mich meine Wähler zum achten Mal direkt in den Bundestag gewählt haben", sagt Kauder. "Ich werde in der kommenden Legislaturperiode alles tun, um den Wahlkreis weiter voranzubringen", kündigt der Vorsitzende der Unionsfraktion an.

Kreisredaktionsleiter Armin Schulz kommentiert das Wahlergebnis:

Hoch erfreut über sein persönliches Ergebnis zeigt sich der Rottweiler Hubert Nowack (Grüne). Bundesweit für die Partei habe er sich mehr erwartet, doch für den Wahlkreis fühle er sich in seiner Arbeit bestätigt.

Die "harte Arbeit" der Linken sieht auch Laura Halding-Hoppenheit belohnt. "Wir müssen dran bleiben, wir werden weiter kämpfen", verspricht sie ihren Wählern. Das Ergebnis der AfD allerdings habe ihr die Tränen in die Augen getrieben. Das sei schmerzhaft und betrübend.

In bester Feierlaune nimmt gestern Abend die AfD bei ihrer Wahlparty im Rottweiler Pflugsaal gleich die ersten Prognosen nach Schließen der Wahllokale auf. Jubel brandet auf, Arme werden emporgerissen, Daumen nach oben gereckt, als im Fernsehen von einer tektonischen Verschiebung die Rede ist. Direktkandidat Reimond Hoffmann ist fast vier Stunden später wieder deutlich gefasster. "Ich bin zufrieden" mit dem Ergebnis im Wahlkreis. So wie es aussehe, liege die AfD hier sowohl über dem Landes- als auch über dem Bundesschnitt.

Als positives Ergebnis verbucht auch Marcel Aulila (FDP) sein Abschneiden und das seiner Partei. Mit Erst- und Zweitstimmen liege man etwas über dem Landesdurchschnitt. Gleichwohl: Die alten Ergebnisse im hiesigen Wahlkreis haben die Liberalen nicht wieder erreicht.

Kommentar: Kauder-Klatsche

Von Armin Schulz

Au Backe Volker Kauder. Der Polit-Haudegen der CDU im Bund, der am längsten amtierende Vorsitzende der Unionsfraktion, muss in seinem Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen dramatische Verluste hinnehmen. Er kann den ersten Platz behaupten, doch im Vergleich zur Wahl von vor vier Jahren erhält er an die 15 Prozentpunkte weniger. Der CDU-Frontmann wurde von den Wählern abgestraft. Vom Verlust der CDU profitieren AfD und FDP gleichermaßen. Beide verzeichnen ein Plus von bis zu acht Punkten. Die AfD wird drittstärkste Kraft hinter einer SPD, die daherkommt wie ein Ballon, dem man die Luft herausgelassen hat. Ob sich die Partei wird fangen können? Eine Frage, die auf Bundesebene geklärt werden muss. In Feierlaune, in diesem wie in anderen Wahlkreisen, dürfte nur eine Partei sein: die AfD. Mal sehen, was sie aus ihrem Wählerauftrag macht.