Kommt der Postbote, oder kommt er nicht? Im Landkreis Rottweil wirkt sich der Streik je nach Ort ganz unterschiedlich aus. Foto: dpa

Noch mehr Briefkästen bleiben leer: Verdi will weitere Beschäftigte mobilisieren. "Wenigstens kommen keine Rechnungen."

Kreis Rottweil - Der Blick in den Briefkasten ist in diesen Tagen besonders spannend: Ist heute was drin? Oder wieder nichts? Und kommt das ersehnte Päckchen pünktlich an? Während einige Menschen im Kreis Rottweil vom Streik gar nichts spüren, warten andere seit Tagen vergeblich auf Post – je nach Streikbeteiligung direkt vor Ort. Verdi-Bezirkssekretär Christian Filusch, zuständig für den Bereich Schwarzwald-Bodensee, kündigt auf Nachfrage unserer Zeitung ein Ausweitung des Streiks in der Region an: "Wir werden in den nächsten Tagen gerade im Süden weitere Beschäftigte mobilisieren."

Am Mittwoch hat Filusch die Belegschaft im Zustellzentrum Singen "rausgeholt". 21 Beschäftigte haben sich dort dem Streik angeschlossen. Genaue Zahlen für den Kreis Rottweil kann er momentan nicht nennen, es seien aber am Dienstag zwei volle Busse mit rund 100 Streikenden aus Rottweil und Villingen zur Kundgebung nach Stuttgart gefahren. "Und das waren längst nicht alle."

Während Verdi sich "auf eine weitere Woche Streik" einstellt, würden sich etliche Menschen im Landkreis über Besuch vom Postboten überaus freuen. So sind die Auswirkungen beispielsweise im Stadtgebiet Rottweil deutlich spürbar: "Bei uns kommt momentan nichts an", schreibt Tanja B. auf unserer Facebook-Seite "Schwarzwälder Bote Rottweil". "In Horgen seit Freitag nix", meldet auch Sandra W. mit einem traurigen Smiley. Thea W. wartet seit Samstag auf einen Eilbrief, "der trotz Zusage immer noch nicht angekommen ist". Die Rottweiler Charlottenhöhe bekomme seit Freitag keine Briefe mehr, schreibt Andrea B., und auch in der Altstadt sieht es teilweise mau aus: Seit Freitag schaut Barbara H. vergeblich in den Briefkasten. Carina K. aus Zimmern o. R. hat in den vergangenen zehn Tagen gerade zweimal Post bekommen.

In kleineren Orten im Umland ist die Situation ganz unterschiedlich. "Wie immer pünktlich auf die Minute", freut sich Sa Bi aus Villingendorf. Und auch in Trichtingen kommt die Post bei Natascha R. ganz normal, ebenso wie bei Tommy M. in Seedorf. Auch aus Dunningen meldet Nic H.: "Post kommt an". Ganz anders dagegen bei Nadine van H. in Beffendorf: "Schon seit Donnerstag nichts mehr im Briefkasten", meldet sie. "In Deißlingen auch nichts", bedauert Stefan F.

Die unterschiedlichen Auswirkungen hängen laut Christian Filusch mit den komplizierten Strukturen bei der Deutschen Post zusammen. Zum einen ist es natürlich sowieso jedem Tarifbeschäftigten selbst überlassen, ob er sich am Streik beteiligt oder nicht. Darüber hinaus gibt es bei der Post auch Beamte, die wiederum kein Streikrecht haben. Rund 20 bis 25 Prozent der Belegschaft haben laut Filusch außerdem befristete Verträge. "Die überlegen sich natürlich genau, ob sie sich am Streik beteiligen. Da gibt es Ängste und es entsteht Druck." Ähnlich sehe es bei den Aushilfskräften wie Schülern und Studenten aus, die nur für ein paar Monate bei der Post sind und jetzt – Streik hin oder her – auch weiterhin zustellen.

Laut Hugo Gimber, Pressesprecher der Post, würden die Auswirkungen des Streiks durch eigene Mitarbeiter aus der Verwaltung sowie durch Kräfte von Zeitarbeitsfirmen abgefedert. 19 700 Mitarbeiter seien deutschlandweit im Streik.  Am Dienstag hätten 77 Prozent von 65 Millionen Briefen zugestellt werden können.

Gewerkschaftssekretär Filusch betont dazu, dass die Zustellquote kritisch zu betrachten sei. Denn schließlich würden viele Absender von Briefen und Paketen in diesen Tagen gleich von vorneherein auf andere Zustellwege umschwenken. Viele Päckchen kommen nur deshalb pünktlich an, weil der Zusteller eben keine gelben Farben trägt, sondern dunkelbraun oder blau-weiß ."Die Einbußen für die Post sind enorm", sagt Filusch, der hofft, dass es zu einem baldigen Ende des Streiks kommt. "Wir haben ein Angebot vorgelegt, jetzt ist die Post am Zug", sagt der Verdi-Mann.

Auf welchen Wegen auch immer: Fabian G. jedenfalls hat sein Päckchen bei einer Bestellung diesmal besonders schnell bekommen, wie er uns schreibt – und das mitten in Streikzeiten. Und Sergei W. kann dem Streik auch was Positives abgewinnen: "Wer braucht schon Rechnungen", meint er augenzwinkernd.